Rechtswahl und Zuständigkeit im grenzüberschreitenden Datenschutz?

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Johannes Juranek und David Suntinger
Johannes Juranek und David Suntinger

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Im Zuge der großen Abhörskandale und einer zunehmend gewinnbringenden Vermarktung von Daten gewinnt auch das regulierende Datenschutzrecht sowohl für Wirtschaftstreibende als auch für Kunden an Bedeutung.

Diese Entwicklung macht Vertragswerke nötig, die den Umgang mit Daten des jeweiligen Vertragspartners wie auch dritter Personen regeln. Sollen in solchen Verträgen nun grenzüberschreitende Sachverhalte geregelt werden, so stellt sich die Frage, ob und wie weit hier sonst übliche Rechtswahlklauseln und Gerichtsstandsvereinbarungen zulässig sind.

Doppelnatur des Datenschutzrechts

Dabei ist zunächst die Doppelnatur des Datenschutzrechts bedeutsam. Im österreichischen Datenschutzgesetz (DSG 2000) etwa finden sich sowohl öffentlich-rechtliche als auch zivilrechtliche Bestimmungen. Die freie Rechts- und Gerichtsstandswahl ist also schon insofern eingeschränkt, als sich die Vertragsparteien als Rechtsunterworfene dadurch nicht der hoheitlichen Gewalt von Behörden entziehen können, die nach den einschlägigen Bestimmungen für bestimmte Sachverhalte entscheidungsbefugt sind. Eine solche Einschränkung sieht das Datenschutzrecht etwa zur Frage vor, bei welcher Behörde eine Datenanwendung gemeldet werden muss.

Nun könnte man annehmen, dass eine freie Rechts- sowie Gerichtsstandswahl getroffen werden kann, sofern gegenseitige zivilrechtliche Ansprüche der Vertragspartner nach dem Datenschutzrecht geregelt werden sollen. Die Rechtswahl innerhalb der EU ist für vertragliche Schuldverhältnisse in der ROM I-VO, für außervertragliche Schuldverhältnisse aber in der ROM II-VO geregelt, vorausgesetzt, es besteht ein hinreichender Bezug zur gewählten Rechtsordnung. Die Zulässigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung richtet sich hingegen nach der EuGVVO oder Brüssel I-VO.

Sind aber datenschutzrechtliche Sachverhalte betroffen, so ist die Zulässigkeit von Rechtswahl oder Gerichtsstandsvereinbarung aus mehreren Gründen auch für zivilrechtliche Ansprüche abzulehnen. So bestimmen Art 23 ROM I-VO und – parallel dazu – Art 27 ROM II-VO, dass Kollisionsnormen in Vorschriften des Gemeinschaftsrechts für besondere Gegenstände diesen beiden Verordnungen vorgehen. Überdies ist nach Art 1 Abs 2 lit g) ROM II-VO jegliches aus der Verletzung der Privatsphäre resultierende außervertragliche Schuldverhältnis vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen.

Enthält also eine spezielle Gemeinschaftsrechtsnorm eine Bestimmung darüber, welches Recht auf datenschutzrechtliche Schuldverhältnisse anzuwenden ist, so verdrängt diese Bestimmung die Anknüpfungsregeln der beiden ROM-VO. Diese Verdrängung umfasst auch die Bestimmungen zur freien Rechtswahl.

Rechtswahl ausgeschlossen

Eine solche spezielle Gemeinschaftsrechtsnorm ist Art 4 der RL 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie – DSRL), der in Österreich in § 3 DSG 2000 umgesetzt wurde. Gemäß Art 4 DSRL ist primär das materielle Recht jenes Mitgliedstaats anzuwenden, in dem der für die Datenverwendung Verantwortliche jene Niederlassung hat, für deren Zwecke die Verwendung stattfindet. Eine Rechtswahl ist insofern ausgeschlossen.

Gerichtsstandsvereinbarung ausgeschlossen

Ähnliches gilt auch für die Gerichtsstandsvereinbarung: Gemäß ihrem Art 67 wird die EuGVVO durch Bestimmungen verdrängt, die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit regeln und entweder in gemeinschaftlichen Rechtsakten oder im harmonisierten einzelstaatlichen Recht enthalten sind. Eine derart spezielle Bestimmung findet sich auch in der Datenschutzrichtlinie: Art 22 DSRL bestimmt, dass die Mitgliedstaaten in ihren einzelstaatlichen Rechtsvorschriften ausreichende Rechtsbehelfe garantieren müssen, die vor einem Gericht ergriffen werden können. Diese Bestimmung wurde in § 32 Abs 4 DSG 2000 konkretisiert, der für datenschutzrechtliche Angelegenheiten einen ausschließlichen Gerichtsstand sowohl am Wohnsitz des Klägers als auch wahlweise des Beklagten vorsieht.

Im Ergebnis bedeutet das die Ungültigkeit von Rechtswahl- und Gerichtsstandsklauseln, soweit sie zivilrechtliche Sachverhalte regeln sollen, die dem Datenschutz unterliegen. Eine gewisse Rechtsunsicherheit zur Zulässigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung bleibt mit der Bestimmung des Art 22 DSRL aber bestehen: Wird die Umsetzung dieser eher allgemeinen Bestimmung durch das österreichische DSG 2000 als überschießend angesehen, so tritt möglicherweise keine Verdrängung der Bestimmungen der EuGVVO ein. Es bleibt also zu hoffen, dass die sich in Vorbereitung befindliche Datenschutzgrundverordnung diese Frage abschließend klären wird.

Dr. Johannes Juranek
Mag. David Suntinger
www.cms-rrh.com

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