Regierungsvorlage zur Normenkontrolle enthält verfassungswidrige Ausnahmebestimmungen

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Oliver Thurin
Oliver Thurin

Betrifft vor allem das Außerstreitverfahren im MRG § 37, aber auch die vorgesehenen Ausnahmen für die Verfahren nach dem Wohneigentums- und Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz sowie mietrechtliche Kündigungs- und Räumungsverfahren.

„Der Verfassungsausschuss des Nationalrates ist dringend gefordert, denn ein Rechtschutzinstrument darf nicht verfassungswidrig sein“, betont Dr. Oliver Thurin, Verwaltungsrechtsexperte der Kanzlei Benn-Ibler Rechtsanwälte GmbH. Im Juni 2013 hat der Nationalrat den Parteienantrag auf Normenkontrolle (sogenannte „Gesetzesbeschwerde“) im Verfassungsrang beschlossen. Die Einführung der Gesetzesbeschwerde wird allgemein als erhebliche Verbesserung des verfassungsrechtlichen Rechtschutzes angesehen. Demnach können ab dem 1. Jänner 2015 Personen unter bestimmten Voraussetzungen den Verfassungsgerichtshof (VfGH) auch in Zivil- und Strafverfahren direkt kontaktieren. Die Bestimmungen zur Gesetzesbeschwerde sehen aber auch eine kritische Ausnahmebestimmung vor. Wenn dies „zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht erforderlich ist“, kann die Stellung eines Parteienantrags nämlich durch ein einfaches Bundesgesetz für unzulässig erklärt werden.

Der Verfassungsausschuss begründet diese Ausnahmebestimmung damit, dass in bestimmten verfahrensrechtlichen Konstellationen die Stellung eines Parteienantrages den Zweck des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht gefährden oder vereiteln könnte. Das gelte auch für Sachentscheidungen, etwa solche, die rasch zu ergehen haben. In diesem Zusammenhang weist er jedoch ausdrücklich auf die einschlägige Judikatur des VfGH hin, wonach die Erforderlichkeit einer derartigen Ausnahmeregelung am strengen Maßstab der „Unerlässlichkeit“ zu messen ist. Damit ist unmissverständlich klargestellt, dass Ausnahmen von der Gesetzesbeschwerde nur in einem sehr beschränkten Ausmaß zulässig sind.

Ausführungsgesetz wäre teilweise verfassungswidrig
„Weitgehend unbemerkt von der medialen Aufmerksamkeit hat nun der Ministerrat erst kürzlich die Regierungsvorlage zum Ausführungsgesetz zur Gesetzesbeschwerde beschlossen und dem Nationalrat weitergeleitet. Anders als noch eine Entschließung des Nationalrates aus dem Jahr 2013, die den restriktiven Vorstellungen des Verfassungsausschusses weitgehend Rechnung trug und nur sehr begrenzte Ausnahmen vorschlug, sieht die Regierungsvorlage einen sehr umfangreichen Ausnahmekatalog vor, der zahlreiche verfassungsrechtliche Bedenken aufwirft“ gibt Thurin zu bedenken.

Besonders gravierend erscheint etwa der Ausschluss des Parteienantrages für das in der gerichtlichen Praxis besonders relevante Außerstreitverfahren nach § 37

Mietrechtsgesetz (MRG). Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage begründen diese Ausnahme ausschließlich damit, dass es sich dabei um ein Verfahren handle, dessen Zweck eine rasche Klärung der Rechtslage sei und das nach seiner Konzeption keine Verzögerung dulde.

„Diese einseitige Sichtweise ist freilich verfehlt“, deponiert Thurin. Sie verbietet sich schon allein mit Blick auf den für das Verfahren nach § 37 MRG ausdrücklich maßgeblichen Verfahrensgrundsatz „einer erschöpfenden Erörterung und gründlichen Beurteilung des Verfahrensgegenstandes“. Bezeichnend dafür ist, dass der Gesetzgeber für dieses Verfahren einen dreistufigen Instanzenzug und darüber hinaus in großen Städten, vor allem in Wien, auch ein vorgeschaltetes Verfahren vor der Schlichtungsstelle vorgesehen hat. Ein besonderes „Eilbedürfnis“ besteht daher gerade bei diesem Verfahren nicht.

Der ausnahmslose Ausschluss der Gesetzesbeschwerde wäre daher keineswegs zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens gemäß § 37 MRG erforderlich und schon gar nicht unerlässlich, sondern stünde zu diesem vielmehr in einem krassen Widerspruch. Würde diese Ausnahmebestimmung daher Gesetz, wäre sie verfassungswidrig. Ähnliche Bedenken bestehen im Übrigen auch gegenüber den vorgesehenen Ausnahmen für die Verfahren nach dem Wohneigentums- und Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz sowie mietrechtliche Kündigungs- und Räumungsverfahren.

Genaue Prüfung durch Verfassungsausschuss
Es bleibt daher zu hoffen, dass der Verfassungsausschuss des Nationalrates, der die Beratungen über die Ausführungsbestimmungen zur Gesetzesbeschwerde in Kürze aufnehmen wird, sowohl die hier dezidiert angesprochenen als auch die an anderer Stelle mehrfach geäußerten massiven Bedenken aufgreifen und den gesamten Ausnahmekatalog nochmals einer eingehenden Überprüfung in Hinblick auf dessen Verfassungskonformität unterziehen wird. „Es wäre ausgesprochen bedauerlich, wenn ausgerechnet das Gesetz zur Ausgestaltung eines Rechtschutzinstruments, das nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers vor allem die „Rechtsbereinigungsfunktion“ des VfGH stärken soll, mit Verfassungswidrigkeit belastet wäre“, so Thurin.

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Foto: beigestellt

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