Terrorgefahr am Reiseziel: Stornogebühren oder Kostenfreiheit bei Nichtantritt der Reise?
Ausgangslage. Diverse Terroranschläge in Brüssel, Paris, Istanbul, Antalya und anderen Urlaubsorten verunsichern Reisende. Ein Nichtantritt der Reise aus Angst vor Anschlägen ist aber nicht immer kostenfrei möglich. Für Reisende stellt sich daher die Frage, ist ein kostenfreier Rücktritt vom Reisevertrag möglich oder fallen Stornogebühren an?
Rücktritt oder Stornierung. Zu unterscheiden ist das Instrument des Rücktritts vom Reisevertrag wegen Terrorgefahr von der Stornierung des Reisevertrages. Das Instrument des Rücktritts findet Anwendung auf Fälle, in denen der Grund für den Rücktritt vom Reisevertrag weder vom Reisenden noch vom Reiseveranstalter zu verantworten ist. Beim Rücktritt sind sämtliche bereits bezahlten Beträge an den Reisenden zurückzuzahlen und erfolgt demnach kostenfrei. Eine Stornierung hingegen erfolgt grundsätzlich aus persönlichen Gründen des Reisenden, sodass hier in der Regel Gebühren anfallen.
Kostenfreier Rücktritt. Aus der Rechtsprechung des OGH lassen sich Grundsätze ableiten, unter denen ein kostenfreier Rücktritt vom Reisevertrag durch den Reisenden möglich ist. Als Grundregelt gilt, dass ein kostenfreier Rücktritt möglich ist, wenn die Reise unmöglich oder unzumutbar wird. Die Unzumutbarkeit muss dabei eine Intensität erreichen, die ein durchschnittlicher – weder besonders mutiger oder besonders ängstlicher – Reisender als unzumutbare Gefahr beurteilt (OGH 8 Ob 99/99p). Dabei muss eine ex-ante-Betrachtung angestellt werden. Die spätere reale Entwicklung der Ereignisse ist unerheblich. Eine eindeutige Reisewarnung des Außenministeriums ist grundsätzlich als kostenfreier Rücktrittsgrund zu werten (RS0111962). Liegt eine offizielle Reisewarnung des Außenministeriums nicht vor, kann der kostenfreie Rücktritt dennoch gerechtfertigt sein, weil auch Medienberichte und Informationssendungen in Rundfunk und Fernsehen sowie in seriösen Zeitungen über Terroranschläge und Gefahren ernst zu nehmen sind (OGH 1 Ob 257/01b).
Zeitfaktor. Ein Zuwarten mit der Rücktrittserklärung des Reisenden ist erforderlich, wenn bis zum Reiseantritt noch ein erheblicher Zeitraum für die Beurteilung der Gefährdungslage zur Verfügung steht. Ansonsten wäre die Rücktrittserklärung übereilt und aus übertriebener Vorsicht abgegeben. Diesfalls ist der Rücktritt nicht gerechtfertigt und kann nicht kostenfrei erfolgen. Aus der Rechtsprechung ist jedoch keine generelle Aussage abzuleiten, bis zu welchem Zeitpunkt vor dem Reiseantritt mit der Rücktrittserklärung zuzuwarten ist. Als Richtwert muss der Zeitpunkt für die Rücktrittserklärung so gewählt werden, dass für eine Umbuchung auf ein weniger gefährliches Zielgebiet genügend Zeit offen steht (OGH 6 Ob 145/04y).
Zu akzeptierende Umbuchung. Nach der Rechtsprechung des OGH und den Grundsätzen des ABGB ist der Anpassung des Reisevertrags Vorrang vor der Auflösung des Vertrages zu geben (OGH 1 Ob 257/01b). Der Reisende hat daher die vom Reiseveranstalter vorrangig anzubietende Umbuchung auf ein anderes Reiseziel anzunehmen, wenn diese kostenfrei erfolgt, das Angebot gleichwertig ist und auch preislich der ursprünglich gebuchten und bezahlten Reise entspricht. Will der Reisende die Umbuchung nicht akzeptieren, können Stornogebühren anfallen. Nicht genau definiert in der Rechtsprechung ist, was unter einem „gleichwertigen“ Reiseziel zu verstehen ist. Bei einem Badeurlaub am Meer wird die Gleichwertigkeit wohl durch eine Umbuchung auf einen anderen Badeort am Meer erreicht werden können (OGH 1 Ob 257/01b). Ob eine Umbuchung auf eine andere Stadt bei einer Städtereise als gleichwertig zu verstehen ist, ist in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht geklärt.
Kein kostenfreier Rücktritt. Aus der Rechtsprechung des OGH ist ferner der Grundsatz abzuleiten, dass ein vereinzeltes unvermutetes Auftreten von Anschlägen am geplanten Urlaubsziel nicht zum kostenfreien Rücktritt berechtigt. Vielmehr gehören solche vereinzelten Anschläge zu den allgemeinen Lebensrisiken, die jedermann auf sich nehmen muss und vor denen er auch in seinem Heimatland nicht gefeit ist (OGH 8 Ob 99/99p).
Fazit. Gemäß den aus der Rechtsprechung abzuleitenden Grundsätzen, ist ein kostenfreier Vertragsrücktritt möglich, wenn für das Reiseziel eine Reisewarnung des Außenministeriums vorliegt, oder in Informationssendungen oder seriösen Zeitungen ernst zu nehmend über Terroranschläge und Gefahren berichtet wird. Die Rücktrittserklärung darf jedoch nicht bereits einen erheblichen Zeitraum vor Reiseantritt abgegeben werden. Eine Umbuchung auf ein anderes Reiseziel ist zu akzeptieren wenn diese kostenlos, zumutbar und gleichwertig mit der ursprünglich geplanten Reise ist. Ansonsten kann der Rückforderungsanspruch klagsweise geltend gemacht werden.
Foto: beigestellt
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