Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu baurechtlichen Fragen stellt, neben wissenschaftlichen Publikationen, einen wesentlichen Beitrag zur Rechtsfortentwicklung dieses Fachgebietes dar. Erläuternd dazu der Baurechtsexperte und Autor mehrerer Fachbücher Dr. Georg Karasek.
Gewährleistungsrecht
Seit der grundlegenden Änderung des Gewährleistungsrechts durch das Gewährleistungsrechts – Änderungsgesetz 2002 musste sich der Oberste Gerichtshof mit einigen Zweifelsfragen beschäftigen.
Im Gewährleistungsrechts – Änderungsgesetz hat der Gesetzgeber das Wahlrecht des Auftraggebers zwischen dem Anspruch auf Verbesserung einer mangelhaften Leistung und der Preisminderung eingeschränkt. Der Auftraggeber muss nunmehr grundsätzlich dem Auftragnehmer zunächst eine Verbesserungsmöglichkeit einräumen. Was aber gilt, wenn der Auftraggeber gleich zu einer Ersatzvornahme schreitet und ein anderes Unternehmen mit der Mängelbehebung beauftragt ohne dem Auftragnehmer eine Chance zur Mängelbehebung zu geben? Für diesen Fall hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass der Auftraggeber nur Anspruch auf Ersatz jener Kosten hat, die der Auftragnehmer gehabt hätte, wenn er selbst den Mangel beseitigt hätte. Allfällige Mehrkosten einer Ersatzvornahme muss der Auftraggeber selbst tragen.
Vom Grundsatz, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer zunächst eine Verbesserungsmöglichkeit einräumen muss, sieht das Gesetz aber Ausnahmen vor. Der Auftraggeber kann beispielsweise, aus triftigen, in der Person des Auftragnehmers liegenden Gründen, etwa wegen dessen erwiesener Unverlässlichkeit, die Verbesserung ablehnen und gleich Preisminderung oder die Wandlung (Aufhebung) des Vertrages verlangen. Im konkreten Fall hatte der Auftragnehmer trotz Rüge der vertragswidrigen Maßungenauigkeiten seine Arbeiten unverändert fortgesetzt. Dem Begehren des Auftraggebers auf Rückzahlung des Werklohnes wurde daher stattgegeben.
Schon vor der Gewährleistungsreform hat gegolten, dass der Auftragnehmer eines Bauvertrages ebenso Gewähr für Mängel zu leisten hat, die bei der Übergabe vorhanden sind, wie bei einem Kaufvertrag der Verkäufer. Das Gewährleistungsrechts – Änderungsgesetz hat aber eine neue Bestimmung eingeführt: die Mangelhaftigkeit wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, wenn der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorkommt. Im konkreten Fall hatte der Kläger von einem Bauträger eine Wohnung gekauft. Der vom Bauträger beauftragte Installateur hatte die Wasserzuleitungen bereits verlegt, als die weiteren Installationen vom Wohnungskäufer bei einem anderen Professionisten beauftragt wurden. Vier Monate nach der Übergabe vom Bauträger traten in der darunter befindlichen Wohnung Wasserflecken auf. Der Geschädigte begehrte vom Bauträger den Ersatz der Behebungskosten. Der Oberste Gerichtshof stellte klar, dass sich die gesetzliche Vermutung nur auf den Zeitpunkt der Mangelhaftigkeit bezieht, nicht aber auf den Mangel selbst. Der Kläger hätte beweisen müssen, dass der Mangel vom Bauträger oder dem von diesem beauftragten Installateur herbeigeführt wurde. Da ihm dieser Beweis nicht gelungen sei, könne er auch keine auf die gesetzliche Vermutung gestützten Gewährleistungsansprüche an den Bauträger stellen.
Warnpflicht des Auftragnehmers
Auch die Warnpflicht des Auftragnehmers hat den Obersten Gerichtshof immer wieder beschäftigt. In einem erst heuer entschiedenen Fall ging es um das Mitverschulden des Auftraggebers bei vertraglich vereinbarter Überprüfung von Plänen durch den Auftragnehmer. Der Oberste Gerichtshof entschied kurzerhand, dass dem Auftraggeber das Mitverschulden seines Planers, der immerhin den falschen Plan gezeichnet hatte, nicht anzulasten sei. Der Auftragnehmer, der die Warnpflicht verletzt hatte, weil er den Planfehler erkennen hätte müssen, wurde zum Ersatz des gesamten Schadens verurteilt.
Beachtlich sind mehrere Entscheidungen seit 2002, die sich ebenfalls mit den Folgen der Warnpflichtverletzung auseinander gesetzt haben. Bis zu diesem Zeitpunkt hat das Höchstgericht judiziert, dass ein Auftragnehmer im Fall einer Warnpflichtverletzung, der das Werk unbrauchbar macht, seinen Entgeltsanspruch zur Gänze verliert. Seither vertritt der OGH die Ansicht, dass der Verlust des Werklohnanspruchs, im Falle eines Mitverschuldens des Auftraggebers, nur teilweise, entsprechend den Verschuldensanteilen eintritt.
Schlussrechnungsvorbehalt
In den letzten Jahren musste sich der Oberste Gerichtshof wiederholt mit dem sogenannten Schlussrechnungsvorbehalt beschäftigen. Darunter versteht man eine Vertragsklausel, die vorsieht, dass der Auftragnehmer in seiner Schlussrechnung oder spätestens innerhalb von drei Monaten nach Erhalt der Schlusszahlung, einen begründeten Vorbehalt erheben muss, wenn er nachträgliche Forderungen stellen will. Das Höchstgericht hat in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass sich der Schlussrechnungsvorbehalt der ÖNORM B 2110 – eine vom Österreichischen Normungsinstitut für Bauverträge zur Verfügung gestellte Vertragsschablone, die vielfach als Vertragsgrundlage vereinbart wird – zwei unterschiedliche Fälle regelt. Fall eins: der Auftragnehmer hat nicht alle Forderungen in die Schlussrechnung aufgenommen. Fall zwei: der Auftraggeber hat nicht alle Forderungen in der Schlussrechnung des Auftragnehmers anerkannt und daher auch nur einen Teil der Schlussrechnungssumme bezahlt. Im ersten Fall muss der Auftragnehmer den Vorbehalt bereits in die Schlussrechnung aufnehmen, wenn er seinen Werklohnanspruch nicht verlieren möchte. Im zweiten Fall genügt es, wenn der Auftragnehmer den Vorbehalt innerhalb von drei Monaten nach Erhalt der wegen der Rechnungsabstriche gekürzten Schlusszahlung erhebt. Unterlässt der Auftragnehmer den Vorbehalt, verliert er seinen
Werklohnanspruch.
Die Vorbehaltsklausel enthält aber noch eine weitere Falle für den Aufragnehmer. Die ÖNORM sieht vor, dass der Vorbehalt zu begründen ist. An diese Begründungspflicht legt der Oberste Gerichtshof sehr strenge Maßstäbe an. Auch wenn viele Rechnungspositionen von Kürzungen durch den Auftraggeber betroffen sind, genügt es nicht dagegen pauschale Einwände zu erheben. Es ist vielmehr notwendig, dass der Aufragnehmer detailliert Position für Position begründet, warum er seine Forderung aufrecht erhält. Auch diese Unterlassung führt zum Verlust des Werklohnanspruches.
Sittenwidrige Vertragsklauseln
In den letzten Jahren mussten sich die Gerichte immer häufiger mit sittenwidrigen Vertragsklauseln beschäftigen. In einem Fall sahen allgemeine Geschäftsbedingungen des Auftragnehmers vor, dass Schäden innerhalb von drei Tagen bei sonstigem Anspruchsverlust zu melden sind. Konkret ging es um die Reinigung von Fenstern, die nicht sachgemäß erfolgte, wodurch die Gläser zerkratzt wurden. Da der Auftraggeber diesen Schaden nicht innerhalb der dreitägigen Frist meldete, wollte die Reinigungsfirma den Schaden unter Berufung auf ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht bezahlen. Der Oberste Gerichtshof sah die Klausel als sittenwidrig an, weil eine so kurze Frist die erkennbaren und versteckten Mängel gleichermaßen umfasst, praktisch alle Rügemöglichkeiten des Auftraggebers beseitigt.
In einem anderen Fall sahen Allgemeine Vertragsbedingungen vor, dass der Auftragnehmer innerhalb von vierzehn Tagen nach Korrektur der Schlussrechnung durch den Auftraggeber ein Korrekturblatt unterschreiben müsse, in dem er die Rechnungsabstriche anerkennt. Sollte das Korrekturblatt nicht innerhalb dieser Frist retourniert werden, würden keinerlei Einwendungen mehr akzeptiert werden. Diese kurze Frist hat der Oberste Gerichtshof als sittenwidrig angesehen. Interessant ist, dass der OGH zum Vergleich die dreimonatige Frist der ÖNORM für den Schlussrechnungsvorbehalt heranzog und diese als „ohnedies schon massiv verkürzt“ gemessen an der gesetzlichen dreijährigen Verjährungsfrist bezeichnete, sie aber nicht als gröblich benachteiligend ansah
Dr. Georg Karasek
www.kwr.at
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