Vendor Due Diligence wird Marktstandard

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Viele Finanzinvestoren haben derzeit einen erhöhten Druck ihre Gelder zu investieren. Dies und allgemein positive Wirtschaftsfaktoren führen dazu, dass die Anzahl der M&A Transaktionen wieder spürbar zunimmt.

In diesem zunehmend kompetitiven Umfeld bemühen sich Verkäufer einen attraktiven Verkaufsprozess zu gestalten, um möglichst viele Interessenten anzuziehen und die Transaktionsdauer zu verkürzen. Dabei hilft auch die Vendor Due Diligence.

Was ist eine Vendor Due Diligence?

Bei einer klassischen Käufer Due Diligence (wörtlich übersetzt „die gebotene Sorgfalt“) wird von einem potentiellen Erwerber und seinen Beratern vor der Unterfertigung des Kaufvertrages eine Überprüfung der (unter anderem) wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen, technischen und umweltbezogenen Verhältnisse der Zielgesellschaft vorgenommen.
In den vergangenen Jahren hat jedoch eindeutig ein Trend hin zu einer der Käufer Due Diligence vorgeschalteten Vendor Due Diligence stattgefunden.
Vendor Due Diligence bzw. VDD, ist die Bezeichnung für eine Due Diligence, welche von den Beratern eines Verkäufers in Vorbereitung einer Transaktion durchgeführt wird. Ziel der VDD ist die Zurverfügungstellung von aus der VDD gewonnenen und gesammelten Informationen über die Zielgesellschaft in Form eines VDD-Berichts oder eines Fact Books an einen potentiellen Erwerber. Die VDD ersetzt nicht die Käufer Due Diligence, sie ergänzt diese und hilft dem Erwerber, seine Due Diligence fokussierter durchzuführen. In der Regel wird jeweils für einen Bereich (am häufigsten Recht, Steuern oder Umwelt) ein VDD-Bericht erstellt.
Der VDD-Bericht unterscheidet sich vom Information Memorandum, welches von den Investmentbanken vorbereitet wird und Interessenten einen allgemeinen Überblick über das Geschäftsmodell und die Produkte der Zielgesellschaft, aber auch über ihre finanziellen sowie rechtlichen Verhältnisse geben soll. Damit soll Interessenten noch vor Datenraumzugang (also der Möglichkeit, Einblick in die Gesellschaftsunterlagen zu erhalten), eine Entscheidungsgrundlage ob die Transaktion weiterverfolgt wird, zur Verfügung gestellt werden.
Die inhaltliche detaillierteren VDD-Berichte werden dem Interessenten dagegen erst nachdem dieser ein indikatives, unverbindliches Offert gelegt hat und gleichzeitig mit dem Zugang zum Datenraum zur Verfügung gestellt.

Vor- und Nachteile einer Vendor Due Diligence

Die Beweggründe eine VDD durchzuführen sind vielschichtig. Dementsprechend können die Vor- und Nachteile einer VDD von Fall zu Fall variieren, jedoch überwiegen in der Praxis die Vorteile eindeutig:
❶ Der Verkäufer hat die Möglichkeit, wesentliche und häufig komplizierte rechtliche Themen und Probleme rechtzeitig, nämlich bevor der Erwerber dies tut, zu identifizieren. Dadurch kann er diese Probleme auch vorzeitig lösen, im Information Memorandum aufnehmen bzw. im Kaufvertrag entsprechend adressieren. Dies ist teilweise notwendig, um den Kaufvertrag überhaupt entwerfen zu können (vor allem, wenn der Verkäufer nicht eng ins Management der Zielgesellschaft eingebunden ist)..
❷ Der Verkäufer kann dem potentiellen Erwerber bei den Verhandlungen „auf Augenhöhe“ gegenübertreten, da beide Seiten – zumindest nach der Due Diligence – den gleichen Informationsstand haben sollten. Dies hilft insbesondere bei den Vertragsverhandlungen, da der Verkäufer bereits im Vorfeld eine realistischere Einschätzung der durchsetzbaren Verhandlungspositionen vornehmen kann und nicht vom Erwerber mit unliebsamen Überraschungen konfrontiert wird.
❸ Eine VDD spart dem Erwerber Zeit und Kosten und trägt dadurch zur Attraktivität eines Verkaufsverfahrens bei. Zum einen werden Erwerber den Umfang ihrer eigenen Due Diligence auf Grundlage des VDD-Berichts einschränken können. Zum anderen verbessert die gleichzeitige Durchführung der VDD mit dem Datenraumaufbau die Datenraumqualität. Beides führt zur schnelleren Durchführung und Beendigung der Due Diligence und spart so allen Beteiligten Zeit und Geld.

Nachteile für den Verkäufer können im Einzelfall die Entstehung zusätzlicher Kosten für die VDD und die längere Vorbereitungsdauer der Transaktion sein. Wie aber aus den oben dargelegten Vorteilen ersichtlich, werden diese scheinbaren Nachteile durch die Vorteile aus der kürzeren Dauer des besser vorbereiteten Transaktionsverfahrens meist überkompensiert.

Was ist marktüblich?

Vor 6-7 Jahren waren VDDs noch unüblich. Heute ist es fast undenkbar einen seriösen Verkaufsprozess, in dem namhafte (internationale) Investoren im Vorfeld angesprochen werden, ohne VDD durchzuführen. VDDs werden üblicherweise im Rahmen von Auktionsverfahren durchgeführt und sind die Regel am Markt. Hinsichtlich des Endproduktes besteht auch eher eine Tendenz in Richtung sog. „Fact Books“, die im Gegensatz zum VDD-Bericht, nur auf die Zusammentragung der wesentlichen Gesellschaftsinformationen beschränkt sind und keine Risikodarstellung enthalten.

EXPERTENTIPPS:

Rechtzeitige Vorplanung: Es ist enorm wichtig eine gewisse Vorlaufzeit für die Vorbereitung des Datenraums und die Durchführung der VDD einzuplanen. Denn die Erfahrung zeigt: Je besser ein Unternehmensverkauf zusammen mit den Beratern vorbereitet wird, desto rascher und unkomplizierter kann ein Unternehmensverkauf durchgeführt werden.

Umfang der VDD: Es sollte möglichst genau festgelegt werden, in welchen Bereichen und in welchem Umfang die VDD durchzuführen ist. Da das Management der Zielgesellschaft am besten weiß, wo die Problembereiche liegen, ist seine frühe Einbindung unumgänglich.

Dr. Farid Sigari-Majd
www.freshfields.com

Foto: © Walter J. Sieberer

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