Vergaberecht: Aufträge sind nur an „geeignete“ Bieter zu vergeben

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Die Eignungsprüfung im Vergabeverfahren bildet dementsprechend einen wesentlichen Bestandteil des Vergabeverfahrens. Hier kommt es in der Praxis immer wieder zu – aus Bietersicht – vermeidbaren Angebotsausscheidungen.

Dabei hat erst die BVergG-Novelle 2010 mit der „Eigenerklärung“ eine (vermeintliche) Vereinfachung für die Bieter geschaffen: Anstelle alle in der Ausschreibung aufgelisteten Eignungsnachweise, zB Referenzen, Bankenerklärungen oder Strafregisterbescheinigungen, sofort vorzulegen, darf sich der Bieter – jedenfalls vorerst – auf die Abgabe besagter Erklärung beschränken. Hierin bestätigt er nicht nur, die geforderte Eignung zu besitzen, sondern auch, dass er die festgelegten Nachweise auf Aufforderung unverzüglich nachreichen kann. Vorsicht ist hier zunächst bei „selbstgestrickten“ Eigenerklärungen angesagt: Gibt die Ausschreibung, wie üblich, einen Text vor, so sollte dieser tunlichst verwendet werden. Verlangt dann der Auftraggeber die einzelnen Nachweise tatsächlich, so idR zumindest vom präsumtiven Zuschlagsempfänger, darf er hiefür durchaus eine kurze Frist setzen. Kaum ein Bieter bedenkt aber bei Abgabe der Erklärung, dass er ab sofort nicht nur alle eigenen, sondern auch alle Nachweise seiner Subunternehmer in der geforderten Aktualität parat haben muss. Es ist also riskant, auf die Herstellung der Nachweise „last minute“ zu setzen, insbesondere wenn sie erst bei Dritten eingeholt werden müssen, wie etwa Referenzbestätigungen früherer Auftraggeber.

Gerade Referenzen stellen einen praktisch wichtigen, aber auch „fehleranfälligen“ Leistungsnachweis dar. So wird nicht selten übersehen, dass es im Rahmen der Eignung nicht darum geht, den Auftraggeber mit möglichst vielen „ungefähr einschlägigen“ Projekten zu beeindrucken. Es reicht durchaus, die geforderte Zahl an Referenzen nachzuweisen, diese müssen aber den verlangten Mindestanforderungen, etwa betreffend Projektvolumen und Leistungszeitraum, punktgenau entsprechen. Wesentlich ist auch, ob sich der Bieter die Referenz tatsächlich zur Gänze zurechnen darf: Dies wäre nicht der Fall, wenn er sie als Mitglied einer ARGE erbracht oder für wichtige Teile Subunternehmer eingesetzt hat, die nun nicht zur Verfügung stehen.

Das BVergG gewährt dem Bieter die Möglichkeit, sich im Fall unzureichender eigener Leistungsfähigkeit auf geeignete Dritte – etwa Subunternehmer – zu berufen. Erforderlich ist jedoch der Nachweis, dass deren Ressourcen im Auftragsfall tatsächlich zur Verfügung stehen. Bei komplexen Aufträgen werden Bieter und Subunternehmer kaum einen detaillierten Subvertrag aushandeln, solange nicht feststeht, ob es überhaupt zum Zuschlag kommt. Der „Verfügbarkeitsnachweis“ muss jedenfalls verbindlichen Charakter haben, etwa in Form eines Subangebots oder einer Verpflichtungserklärung, im Auftragsfall bestimmte Leistungen zu erbringen. Er muss außerdem – im offenen Verfahren – im Zeitpunkt der Angebotsöffnung existent sein, selbst wenn der Auftraggeber die Vorlage nicht schon mit dem Angebot verlangt. Eine solche Leistungszusage kann für den Subunternehmer außerdem riskant sein, wenn er anderweitig durch eine Konkurrenzklausel gebunden ist. Nicht bedacht wird zum Teil auch, dass das Verfügbarkeitserfordernis ebenso für Konzernunternehmen gilt, auf deren Ressourcen die Bietergesellschaft im Auftragsfall angewiesen ist. Die Judikatur behandelt überdies Personalüberlassungsfirmen wie auch werkvertraglich beschäftigte „Mitarbeiter“ als Subunternehmer. Sollen diese bei der Auftragsabwicklung zum Einsatz kommen, muss der Bieter sie auch namhaft machen und gegebenenfalls die Verfügbarkeit nachweisen.

Auch die Bildung von Bietergemeinschaften ist eine gängige Methode, die erforderliche Eignung durch „Zusammenlegung“ von Know-How, Ressourcen und Befugnissen herzustellen. Allerdings darf die Ausschreibung – aus sachlichen Gründen –Bietergemeinschaften ausschließen oder Beschränkungen punkto Zusammensetzung oder Mitgliederzahl vorsehen. Diverse Formen der Mehrfachbeteiligung, in denen Bieter einzeln und zugleich als Mitglied einer bzw mehrerer Bietergemeinschaften anbieten, können unter dem Wettbewerbsgrundsatz problematisch sein. Teils enthalten Ausschreibungen detaillierte Unvereinbarkeitsklauseln, die zwar gelegentlich überschießend sind, mangels erfolgreicher Anfechtung aber zum Ausschluss der betroffenen Bieter führen.

Nicht zuletzt entscheidet über den Erfolg des Bieters die sorgfältige Durchsicht der Ausschreibungsunterlagen. Erfahrungsgemäß – und praktisch auch nachvollziehbar – messen die Bieter den meist umfangreichen Bedingungen des Auftraggebers bei Angebotserstellung nur geringe Bedeutung zu. Ein gängiges Versäumnis besteht darin, diskriminierende, unsachliche oder schlicht unerfüllbare Festlegungen in der Annahme hinzunehmen, dies könne später immer noch releviert werden bzw der Auftraggeber werde sie schon nicht so streng handhaben. Oft erkennen Bieter auch zu spät, dass sie etwa überschießende Anforderungen an Versicherungsdeckung oder Umsatzzahlen nicht erfüllen, dass die Ausschreibung die beabsichtigte Subvergabe unzulässig beschränkt oder dass die geforderten Referenzen auf den Konkurrenten „zugeschnitten“ sind. Hier kann nur empfohlen werden, Unklarheiten und Ausschreibungsfehler möglichst rasch anzusprechen und auf eine Berichtigung zu drängen. Kommt der Auftraggeber dem nicht nach, bleibt nur der – in diesem Stadium freilich unbeliebte – Weg zu den Vergabekontrollbehörden. Denn nicht rechtzeitig angefochtenen Ausschreibungsklauseln werden, auch wenn sie an sich unzulässig sind, „bestandfest“. Nicht selten bedeutet dies für den betroffenen Bieter, dass der Aufwand, den er in das Angebot investiert hat, frustriert ist, weil es nach dem Wortlaut der Ausschreibung doch auszuscheiden ist.

Mag. Michaela Siegwart
www.chsh.com

Foto: Walter J. Sieberer

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