Vom Energieausweis zu Green & Blue Buildings

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FPLP Johannes LindnerDer Energieausweis wurde erst im Jahre 2008 eingeführt. Warum kommt es nun zu neuerlichen Änderungen beim Energieausweis? Antworten liefert den Lesern der Rechtsanwalt und Experte Johannes Lindner.

Als das Energieausweis-Vorlage-Gesetz („EAVG“) Anfang 2008 in Kraft trat, wurde auf EU-Ebene mit der Überarbeitung der Gebäuderichtlinie 2002 (2002/91/EG) begonnen, entfallen doch 40 % des Endenergieverbrauchs der EU auf Gebäude. In der Praxis wurde der Energieausweis als zusätzlicher Kostenfaktor für Verkäufer und Vermieter gesehen. Das EAVG sah weitgehende Ausnahmen von der Vorlage des Energieausweises vor. Kein Energieausweis war nötig, wenn dies nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften nicht erforderlich war. Unklar war auch, welche rechtlichen Konsequenzen mit einem vorgelegten Energieausweis verbunden sind.

Da die Nichtvorlage des Energieausweises nicht sanktioniert war, war das alte EAVG zahnlos. Als es schließlich galt, die neue Gebäuderichtlinie 2010 (2010/31/EU) umzusetzen, wurden gleichzeitig die Unzulänglichkeiten des alten EAVG behoben.

Welche Neuerungen bringt das EAVG 2012 für Verkäufer bzw. Vermieter von Immobilien?

Das neue EAVG 2012 tritt am 1.12.2012 in Kraft. Es sieht wie schon bisher die Verpflichtung zur Vorlage und Aushändigung eines Energieausweises bei Verkauf/Vermietung von Gebäuden an den Käufer/Mieter vor. Betroffen sind ganze Gebäude, einzelne Geschäftsräumlichkeiten und Wohnungen. Neu ist, dass bestimmte im Energieausweis angegebene Kennzahlen bereits in Immobilienanzeigen anzugeben sind und die Nichteinhaltung erstmals mit einer Verwaltungsstrafe bis EUR 1.450,– sanktioniert wird. Käufer/Mieter können darüber hinaus bei einem Verstoß gegen die Vorlage- bzw. Aushändigungspflicht den Verkäufer/Vermieter auf Übergabe eines Energieausweises klagen oder selbst einen Energieausweis einholen und von Verkäufern/Vermietern Kostenersatz verlangen. Einige Ausnahmen von der Vorlagepflicht wurden gestrichen. Ab 1.12.2012 ist auch für Gebäude in Schutzzonen oder Denkmäler ein Energieausweis vorzulegen. Eine der wesentlichen Neuerungen ist, dass der Ersteller des Energieausweises (Sachverständige) unmittelbar vom Käufer/Mieter zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn der Energieausweis unter Berücksichtigung von unvermeidlichen Bandbreiten unrichtig ist.

Welche Rechtsfolgen hat die Ausweisvorlage?

Verkäufer/Vermieter haben dafür einzustehen, dass das Gebäude die im Energieausweis angeführten energietechnischen Eigenschaften hat. Damit können gewährleistungsrechtliche oder schadenersatzrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden. Ganz wesentlich ist jedoch, dass der Energieausweis nur eine Aussage über die energietechnische Qualität des Gebäudes trifft, nicht aber eine Garantie für einen bestimmten Energieverbrauch darstellt.

Welche Auswirkungen wird der neue Energieausweis auf die Immobranche haben?

Zunächst wird es zu einer verstärkten Transparenz über energietechnische Eigenschaften von Gebäuden kommen, ähnlich wie bei Elektrogeräten. Mittelfristig, und vor allem wenn die Energiepreise weiter steigen, ist davon auszugehen, dass Gebäude mit guter Energieeffizienz und wenig Energieverbrauch verstärkt nachgefragt werden. Bestehende Immobilien mit einer schlechten Energieeffizienz werden schwerer zu vermarkten sein. Solche Immobilien werden– langfristig betrachtet – auf Grund des Marktdrucks entweder saniert werden müssen oder entsprechend weniger Wert haben. Generell ist der Trend zu nachhaltigen Immobilien unaufhaltbar, wie sich bereits heute im Bereich der Gebäudezertifikate zeigt. Gerade im Bereich gewerblicher Immobilien ist die Immobilienbranche ja schon viel weiter entwickelt, als dies der Energieausweis, der sich ja nunmehr aus vier Kennwerten zusammensetzt, vermuten ließe.

Stichwort Zertifikate, was bedeuten sie und welchen Stellenwert haben diese?

Bei Zertifikaten handelt es sich um Gütesiegel für Gebäude. Während der Energieausweis nur Aussagen über die energietechnische Qualität des Gebäudes trifft, gehen die Zertifikate viel weiter. Zertifikate ermöglichen eine gesamtheitliche Betrachtung der Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. Um es plastisch auszudrücken: Es geht nicht nur darum, dass eine Fassade gut gedämmt ist, es geht auch darum, mit welchen Materialien sie gedämmt ist. Es gibt diverse Zertifizierungssysteme, am bekanntesten in Österreich sind klima:aktiv des Lebensministeriums, ÖGNI (Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft), welche den Kriterienkatalog des deutschen Zertifikats DGNB an österreichische Baustandards angepasst hat sowie das US-amerikanische System LEED. In Großbritannien hat sich die vom Building Research Establishment (BRE) entwickelte Environmental Assessment Method (BREEAM) durchgesetzt. Gemeinsam ist den Zertifizierungssystemen, dass sie etwa auch den Planungsprozess oder das Potential der Vermeidung von Individualverkehr in ihren Kriterien berücksichtigen. Durch Zertifikate lassen sich Gebäude letztlich klassifizieren und hier geht der Trend unaufhaltsam zu Green/Blue Buildings.

Welche Vorteil haben Green/Blue Buildings?

Green Buildings oder Blue Buildings sind Gebäude, die unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit entwickelt werden. Sie zeichnen sich durch Energieeffizienz und Ressourcenschonung aus, bei Blue Buildings wird die gesamtheitliche Nachhaltigkeit über den gesamten Gebäude-Lebenszyklus betont, von der Entwicklung und Planung, über die Konstruktion, über die Nutzung hin zur Endverwertung. Was früher als „grün“ gegolten hat, ist heute weit mehr als bloßes Verkaufsargument oder nettes Marketing: „getting green“ hat ökonomische Aspekte. Durch eine verbesserte Energienutzung fallen auf Dauer niedrigere Energiekosten an. Mieter sind bereit, höhere Miete zu bezahlen. Untersuchungen zeigen, dass der Lebenszyklus eines Gebäudes verlängert werden kann.

Welche Vorteile bringen Zertifikate?

Nachhaltigkeit ist internationaler Standard und Selbstverständnis. Investoren wissen, dass sie durch Nachhaltigkeit höhere Renditen erzielen können, bei Zertifikaten gibt es Aufschläge, wobei zurzeit die Kosten einer Zertifizierung noch relativ hoch sind. Die Nachfrage für nachhaltige Gebäude nimmt zu. Mieter verlangen vermehrt Betriebskostengarantien und wollen ihre Nebenkosten kennen. Energieeffizienz senkt diese Kosten. Genauso ist eine effiziente, ressourcenschonende, objekt- und standortbezogene Haustechnik gefragt (Stichwort: „Smart Buildings“). Integrale Planung ermöglicht, diese verschiedenen Interessen von Anfang an in ein Projekt einzubeziehen. Zertifikate sind dabei Leitfäden für die gesamtheitliche Entwicklung eines Gebäudes und bieten einen Standard, der Objekte vergleichbar macht. Freilich wird durch diese Entwicklung das Thema Nachhaltigkeit ökonomisiert.

Sie haben die Nutzung von Green Buildings angesprochen. Inwieweit kann ein Investor für eine nachhaltige Nutzung eines Objektes sorgen?

In Skandinavien oder England sind Green Leases schon relativ verbreitet, in Österreich ist das noch kein Thema. Zunächst wird in einem Dialog mit dem Mieter versucht, aus der Perspektive der Nachhaltigkeit ökonomische Vorteile für die Vertragsparteien zu erarbeiten, etwa gemeinsame Energieversorgung oder Einigung auf einen Energieprovider. Teilweise werden auch Schulungen für Mieter angeboten. Nicht zuletzt werden in Mietverträge Bestimmungen aufgenommen, welche den Mieter zu einer möglichst nachhaltigen Nutzung und den Vermieter zu einer möglichst nachhaltigen Bewirtschaftung der Immobilie veranlassen sollen.

Mag. Johannes Lindner, MA

www.fplp.at

Foto: Walter J. Sieberer

 

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