Weitergabe von Liegenschaftsvermögen

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Alexander Scheitz und Harald Czermak
Alexander Scheitz und Harald Czermak

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Im Unterschied zu Anlagevermögen kann Liegenschaftsvermögen oft nicht in beliebige Portionen geteilt werden. Nachfolgekonzepte müssen daher wohl durchdacht werden, um spätere Streitigkeiten zu verhindern.

Der Grundgedanke der gesetzlichen Erbfolge ist, dass das Vermögen an die Nachkommen des Verstorbenen geht. Die Kinder bzw. Kindeskinder sollen Rechtsnachfolger des Verstorbenen werden. Erst wenn keine direkten Nachkommen vorhanden sind, kommen die Vorfahren oder die Geschwister zum Zug. Der Ehegatte erbt neben Nachkommen des Verstorbenen ein Drittel, neben Vorfahren (bzw. Geschwistern) zwei Drittel.

Weicht die geplante Nachfolgeregelung von diesen Grundsätzen ab, etwa weil der Verstorbene andere Wünsche testamentarisch festgelegt hat, ist dies nur zulässig, wenn die durch das sog. „Pflichtteilsrecht“ gesteckten Grenzen eingehalten werden. Als Pflichtteil gebührt jedem Nachkommen und dem Ehegatten die Hälfte dessen, was ihm nach gesetzlicher Erbfolge zugekommen wäre. In der aufsteigenden Linie erhält jeder Berechtigte ein Drittel des gesetzlichen Erbteils. Geschwister bekommen (sofern keine Nachkommen vorhanden und die Eltern vorverstorben sind) zwar bei Nichtvorliegen eines Testamentes einen Erbteil, haben jedoch bei Vorliegen eines Testamentes keinen Pflichtteilsanspruch. Im Vergleich zum Erbrecht ist der Pflichtteilsanspruch grundsätzlich ein reiner Geldanspruch, der sich gegen die eingesetzten Erben richtet. Alle letztwillig zugewandten Vermögenswerte hat sich der Pflichtteilsberechtigte auf seinen Anspruch anrechnen zu lassen, Zuwendungen zu Lebzeiten des Verstorbenen sind ebenfalls in den Pflichtteil einzurechnen.

„Portionierung“ des Liegenschaftsvermögens ratsam

Basis einer durchdachten Nachfolgeregelung muss eine Analyse des unternehmerischen und privaten Vermögens sein. Dabei ist zwischen jenen Werten zu unterscheiden, die in ihrer Ganzheit erhalten werden sollen, und jenen, die zur Deckung von Ansprüchen verteilt werden können. Im Falle von Liegenschaftsvermögen empfiehlt es sich, eine „Portionierung“ des Vermögens durchzuführen, wobei etwa größere Objekte (z.B. Zinshäuser) parifiziert oder parzelliert werden können, um eine spätere Zuwendung an verschiedene Personen zu ermöglichen. Auch eine möglichst frühe Strukturierung eines Immobilienportfolios ermöglicht später eine gleichmäßige Verteilung und verhindert einen Wertverlust durch Zerstückelung.

Lösung von Liegenschaften aus Betriebsvermögen möglich

Ist das Liegenschaftsvermögen Teil des Betriebsvermögens, kann es ratsam sein, Immobilien im Rahmen der Nachfolgeregelung bereits vorab aus dem übrigen Betriebsvermögen zu lösen. Wird Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt, spricht man in steuerlicher Betrachtung von einer Entnahme. Seit der Neugestaltung des Immobiliensteuerrechtes im Jahr 2012 ist die Entnahme von Grund und Boden mit dem Buchwert im Zeitpunkt der Entnahme anzusetzen, sofern nicht eine Ausnahme vom besonderen Steuersatz gilt (dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Immobilien zum betrieblichen Umlaufvermögen gehören). Bei der Entnahme von Gebäuden dagegen ist weiterhin der Teilwert im Entnahmezeitpunkt anzusetzen, was zu einer steuerlichen Gewinnrealisierung führt. Unter dem Teilwert versteht man jenen theoretischen Betrag, den ein Erwerber, der den Betrieb fortführt, im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das entsprechende Wirtschaftsgut ansetzen würde. Dabei ist ein Mittelwert aus Substanzwert und Ertragswert zu bilden. Im Zuge der vorausschauenden Planung der Vermögensweitergabe ist es daher vorstellbar, das Liegenschaftsvermögen zwar zu entnehmen und einem Dritten zuzuweisen, dem Unternehmen (das somit gesondert übertragbar ist) selbst jedoch weiterhin die betriebliche Nutzung – z.B. auf Basis eines Mietvertrages zu fremdüblichen Konditionen – zu ermöglichen. Damit kann das Liegenschaftsvermögen zwar weiterhin dem Unternehmen zur Verfügung stehen, ist jedoch wirtschaftlich bereits dem Bedachten zugekommen und bringt ihm somit auch ein laufendes Einkommen – vor allem, wenn es sich bei dem mit dem Liegenschaftsvermögen Bedachten und dem präsumtiven Übernehmer des Unternehmens um unterschiedliche Personen handelt.

Werden Vermögenswerte bereits unter Lebenden weitergegeben, kann durch den Vorbehalt von sog. „Fruchtgenuss- oder Gebrauchsrechten“ sichergestellt werden, dass der Übergeber nach seinen Wünschen trotz Übertragung des Eigentumsrechtes den faktischen Nutzen behält. Durch die Vereinbarung bestimmter Bedingungen kann erreicht werden, dass das übergebene Vermögen auch weiterhin den unternehmerischen Zielen gewidmet bleibt.

Auch die Rechtsform des Unternehmens, aus dem die Liegenschaften gelöst werden sollen, ist von Bedeutung. Während etwa bei der GmbH aus Gläubigerschutzgründen Gesellschaftsvermögen nur gegen drittübliche Gegenleistung (also insbesondere gegen einen angemessenen Kaufpreis) an Gesellschafter oder Dritte übertragen werden darf, können Einzelunternehmer oder persönlich haftende Gesellschafter (etwa bei OG oder KG) Entnahmen durchführen, ohne zum Ausgleich Zahlungen an das Unternehmen leisten zu müssen, sofern etwaige Mitgesellschafter ihre Zustimmung erteilen.
Die Kosten der Lösung aus dem Betriebsvermögen sowie die dadurch entstehende Steuerbelastung müssen vor Durchführung der Maßnahmen in ein Verhältnis mit jenem Risiko gesetzt werden, das besteht, wenn es später zu unüberlegten Teilungen kommt oder Begünstigte von ihnen zu leistende Ausgleichszahlungen ohne Belastung oder Veräußerung des ihnen zugedachten Vermögens nicht aufbringen können.

Weitergabe zu Lebzeiten ratsam

Erfahrungsgemäß lassen sich nachhaltige Regelungen nur dann umsetzen, wenn dies zu Lebzeiten des Verfügenden und unter Einbeziehung möglichst aller Beteiligten erfolgt. Gegen ausgleichende Zuwendungen können etwa mit potenziellen Pflichtteilsberechtigten – für den Fall, dass diese früher versterben, auch mit Wirkung für etwaige Nachkommen – Pflichtteilsverzichte vereinbart werden. Meist sind zu Lebzeiten des Familienoberhauptes die Angehörigen leichter zu einer einvernehmlichen Einigung zu bewegen. Ist die zentrale Figur weggefallen, brechen oft weit zurückliegende Konflikte aus und verhindern eine sachgerechte Einigung.

Sollte eine Nachfolgeregelung zu Lebzeiten unter Einbeziehung aller Beteiligten nicht möglich sein, ist es zwingend notwendig, sämtliche letztwilligen Verfügungen fachkundig zu treffen, künftige Entwicklungen möglichst zu bedenken und sich über die Ziele der Vermögensaufteilung klar zu werden.

In der Praxis ist es ratsam, in letztwillig vorgenommenen Vermögensaufteilungen auch eine Bewertung der einzelnen verteilten Bestandteile vorzunehmen. Auch wenn diese Werte für die Hinterbliebenen nicht verbindlich sind, können sie dennoch eine Richtschnur dafür bieten, ob die angeordnete Verteilung die eingangs dargestellten Pflichtteilsquoten deckt.
Oft ist es auch empfehlenswert, Berechtigten Portionen zuzuweisen, die über dem jeweiligen Pflichtteil liegen und dadurch den Empfänger zu motivieren, die gewählte Aufteilung zu akzeptieren. Nimmt der Bedachte dies nicht an, erhält er im Gegenzug lediglich den geringeren Pflichtteil.

Ob die Regelung unter Lebenden oder letztwillig getroffen wird – es sollte jeweils zunächst das geplante Ziel definiert werden und erst danach der Weg gesucht werden, dieses nachhaltig und sicher umzusetzen. Viele Konzepte beginnen bei der Überlegung zu einzelnen Aspekten, was nicht selten dazu führt, von Anfang an einen falschen Weg einzuschlagen, anstatt erst die Gesamtlösung und dann die detaillierte Umsetzung zu entwickeln.

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Foto: beigestellt

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