Aktuelle Verfahren boten den Gerichten Gelegenheit, den Inhalt und die Reichweite der Pflichten der Bank gegenüber ihren Kunden sowie die Folgen eines Verstoßes herauszuarbeiten. Ausgangspunkt für den Inhalt der Pflichten ist der mit der Bank geschlossene Vertrag: Tritt die Bank als Vermögensverwalterin auf, so hat sie das Kundendepot selbständig zu gestionieren und die Wertpapiere im Depot entsprechend den Anlagezielen ihres Kunden zu kaufen und zu verkaufen. Tritt die Bank hingegen als Anlageberaterin auf, so schuldet sie dem Kunden richtige Beratung. Auf wesentliche Pflichten bei der Beratung durch die Banken, wollen die Autoren im Folgenden näher eingehen.
WERTPAPIERAUFSICHTSGESETZ (WAG). Aus dem WAG lässt sich der allgemeine Grundsatz ableiten, dass eine Bank ihre Beratung ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse des Kunden durchzuführen hat. Die Bank ist im Gespräch mit dem Kunden zunächst verpflichtet, die Anlageziele und die Risikobereitschaft des Kunden zu erheben. Sie hat vom Erwerb weniger geeigneter Produkte abzuraten oder deren Verkauf zu empfehlen. Das WAG verlangt von der Bank, ein sogenanntes „Kundenprofil“ zu erstellen, auf Grundlage dessen die weitere Beratung hinsichtlich möglicher Anlageformen und – so vereinbart – die Verwaltung des Depots erfolgen soll. Dieses Kundenprofil muss bereits vor der ersten Veranlagung für den Kunden aufgenommen werden und ist regelmäßig zu aktualisieren, sowie auch nach jeder erkennbaren Veränderungen der Verhältnisse des Kunden. Die FMA verlangt eine Aktualisierung zumindest alle 3 Jahre. Erleidet ein Kunde einen Verlust, so kann ein fehlendes Kundenprofil indizieren, dass die Bank die Verhältnisse des Kunden – zB seine Erfahrung und Absicht einer konservativen Veranlagung – nicht ordnungsgemäß berücksichtigt hat. Auch wenn die Bank ein Kundenprofil erstellt hat, kann dies allerdings nicht, wie der OGH klargestellt hat, die Risikoaufklärung ersetzen.
BERATUNGSPFLICHT. Sachkenntnis des Kunden schränkt die Beratungspflicht nicht ein, vielmehr hat die Bank entsprechend auf die Kenntnisse des Kunden Rücksicht zu nehmen. Ein Berater ist verpflichtet, jeweils entsprechend den aktuellen Marktgegebenheiten zu beraten. Der Anlageberater ist zur Lektüre der einschlägigen Wirtschaftspresse verpflichtet (so der deutsche BGH). Ersatzpflichten können sich ebenso aus fehlerhaften Marketingunterlagen ableiten lassen. Andererseits kann sich die Bank nicht von fehlerhafter Anlageberatung freizeichnen, indem sie dem Kunden richtige Unterlagen – zum Beispiel einen Emissionsprospekt – übergibt.
Beratungspflichten beschränken sich nicht auf den Erwerbszeitpunkt. Vielmehr kann eine Bank verpflichtet sein, den Kunden zu warnen, wenn sich der Kurs nicht wie ursprünglich angenommen entwickelt. Dem Kunden sind Art und Inhalt der erworbenen Wertpapiere sowie die damit verbundenen Rechte und Pflichten genau zu erklären. Auch über die Bonität eines allenfalls bestehenden Garanten ist aufzuklären. In diesem Zusammenhang hat auch die FMA in einem Rundschreiben betont, dass dann, wenn Produkte gegenüber Privatkunden beworben werden, jedenfalls auch ausreichende Angaben über die Garantie und den Garanten zu machen sind. Irreführend kann die Bezeichnung eines Bankproduktes selbst sein, etwa wenn die Bezeichnung „Spar-“ für andere als Sparurkunden (vor allem die klassischen Sparbücher) verwendet wird.
PRAXIS. Zuweilen kommt es in der Realität vor, dass bestimmte Interessen des Kunden den Interessen der Bank zuwiderlaufen. Das WAG sieht vor, dass der Anlageberater dem Kunden die Art und die Ursache von Interessenkonflikten offenzulegen hat, bevor er Geschäfte für den Kunden tätigt. Ist nicht klar, ob ein Interessenkonflikt vorliegt, so trifft den Bankenmitarbeiter eine entsprechende Erkundigungspflicht beim Bankenvorstand. Gerade bei einem „Interessenskonflikt“ hat die Bank nach der Rechtsprechung im bestmöglichen Interesse des Kunden zu handeln und den Kundenauftrag unter der „gebotenen Wahrung des Kundeninteresses“ auszuführen. Den Interessen des Kunden ist jedenfalls Vorrang zu geben. Würde die Bank durch die Offenlegung der Art und Ursache des Interessenkonfliktes eine Insiderinformation preisgeben müssen, so hat die Bank dem Kunden zwar nicht den genauen Inhalt des Interessenkonfliktes mitzuteilen, diesem jedoch jedenfalls anzuzeigen, dass ein Interessenkonflikt vorliegt. Die jüngste Rechtsprechung fordert in einem solchen Fall, dass sich der Anlageberater passiv verhält, nur allgemein auf die Marktsituation hinweist und darauf aufmerksam macht, derzeit keine Beratungen oder Empfehlungen abgeben zu können. Jedenfalls ist es dem Anlageberater in einer solchen Situation untersagt, dem Kunden den Kauf oder Verkauf eines vom Interessenkonflikt betroffenen Wertpapiers zu empfehlen.
RECHTSFOLGEN. Eine Verletzung der obigen Pflichten kann empfindliche Folgen nach sich ziehen. So kann ein Anleger berechtigt sein, den Kauf von Wertpapieren wegen Irrtums anzufechten, da er über die Art und das Risiko des Wertpapiers in die Irre geführt wurde und von der Bank entsprechend nicht ordentlich aufgeklärt wurde. Aus Sicht des Anlegers hat dies den Vorteil, dass die Bank sich dagegen nicht mit dem Einwand des Mitverschuldens wehren kann. Anders ist dies im Schadenersatzrecht: Hier kann das Mitverschulden des Anlegers zu einer Minderung der Ersatzpflicht führen. Lehre und Rechtsprechung sind bei der Annahme eines möglichen Mitverschuldens bzw einer Schadensminderungspflicht des Kunden sehr zurückhaltend. So hat der OGH klargestellt, dass ein Anleger seine Obliegenheit zur Schadensminderung weder durch zu langes Behalten noch durch vorzeitiges Abstoßen einer Anlage verletzt. In der Lehre wird vertreten, dass Mitverschulden des Kunden vorliegt, wenn dieser den Anlageberater nach einem begonnenen und erkennbaren Kursverlust nicht kontaktiert.
Zu möglichen Schadenersatzansprüchen geht der OGH grundsätzlich von der Pflicht zur Naturalrestitution aus: Im Falle der erfolgreichen Klage durch den Anleger sind die Wertpapiere gegen Rückzahlung der geleisteten Einlage zurückzustellen. Wenn die Rückgabe nicht mehr möglich ist – zB weil die Wertpapiere verkauft wurden –, ist die Differenz zu ersetzen, die der Anleger durch den Kursverlust erlitten hat. Den Anleger trifft die Beweislast, dass er bei ordnungsgemäßer Beratung durch die Bank ein anderes – weniger risikoreicheres – Wertpapier erworben hätte und der Schaden sohin ausgeblieben wäre
FAZIT. Die Pflichten der Banken wurden durch das WAG 2007 wesentlich verschärft. Es empfiehlt sich in jedem Fall, schriftlich zu dokumentieren, welche Leistungen seitens der Bank erbracht werden. Das Kundenprofil sollte beim Erstgespräch mit dem Kunden aufgenommen und im Idealfall vor jeder weiteren Transaktion überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Dokumentiert werden sollte jedenfalls auch der Inhalt der Beratungsgespräche und insbesondere, aufgrund welcher Einschätzungen seitens der Bank einem Kunden der Kauf oder Verkauf eines bestimmten Wertpapiers empfohlen wurde. Dem Kunden sollte nach jedem Beratungsgespräch eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Merkmale des Wertpapiers – einschließlich möglicher Risiken – übergeben werden.
Rechtsanwalt Mag. Christoph Stocker, RAA Dr. Thomas Kainz
Foto: Mag. Stocker © Walter J. Sieberre, Dr. Kainz, beigestellt
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