Zweites EuGH-Urteil: Zugabenverbot vor dem Aus!?

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Der Gesetzgeber hat bereits im Jahre 1929 begonnen derartige Zugaben zu verbieten – dadurch würden Preise verschleiert werden und die Käufer würden ihre Produktauswahl aus unsachlichen Gründen treffen. Mittlerweile gibt es bereits in einigen europäischen Ländern kein Verbot mehr, gratis Zugaben zu Waren anzubieten oder beizugeben und die Erfahrung dort zeigt, dass damit keine Verrodung des Wettbewerbs einhergeht. Aus den bisherigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ist die deutliche Absicht der Liberalisierung des Zugabenrechts erkennbar. In Österreich ist das Zugabenverbot nach wie vor mit wenigen, speziellen Ausnahmen vorgesehen (§ 9a UWG).  Wie wird sich das auf das österreichische Zugabenverbot auswirken?

EuGH-Vorlagen.
Derzeit ist beim EuGH noch ein Vorlageverfahren anhängig, welches von einem österreichischen Gericht initiiert wurde. Zwei Vorabentscheidungen sind bereits ergangen. Das aktuellste Urteil in der Rechtssache Plus Warenhandelsgesellschaft (EuGH 14.01.2010, C-304/08) wurde vom deutschen Bundesgerichtshof vorgelegt. Der EuGH entschied darin, dass ein allgemeines Verbot der Koppelung des Erwerbes von Waren mit der Teilnahme von Verbrauchern an Gewinnspielen ohne Prüfung des Einzelfalles der EU-Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken widerspricht. Das Verbot in Deutschland, die Teilnahme an Gewinnspielen mit dem Kauf von Waren zu verbinden, scheint damit bereits gefallen.

Bereits im Frühjahr letzten Jahres hatte der EuGH die Zulässigkeit gleich mehrerer Zugabenkonstellationen zu beurteilen: Einmal eine Gratis-Pannenhilfe für Inhaber einer Club-Karte beim Tanken einer bestimmten Mindestmenge an Treibstoff, und dann Rabattbons als Zugabe zu einer Zeitschrift. Der EuGH hat entschieden, dass ein absolutes Verbot von Koppelungsangeboten unter Außerachtlassung der konkreten Umstände des Einzelfalles jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig – weil mit der EU-Richtlinie unvereinbar – sei (EuGH 23.04.2009, C-261/07, VTB-VAB/Total Belgium, und C-299/07, Galatea/Sanoma Magazines Belgium).

Österreich.
Dieses in beiden Entscheidungen betonte Prinzip lässt sich auch auf die österreichische Regelung des Zugabenverbotes umlegen. Die Entscheidungen des EuGH hätten daher zur Folge, dass künftig auch in Österreich Verbrauchern gegenüber Zugaben angekündigt und gewährt werden dürfen! Bis zur Entscheidung der österreichischen Vorlagefrage besteht jedoch keine endgültige Gewissheit, weshalb derzeit selbst der OGH sämtliche Verfahren – auch bei einstweiligen Verfügungen – unterbricht.
Das österreichische Vorabentscheidungsersuchen betrifft ein Gewinnspiel einer Tageszeitung mit staatstragendem Namen, wobei der Preis ein (zugkräftiges) Abendessen mit dem „Fußballer des Jahres“ sein sollte. Mittlerweile hat zumindest die Europäische Kommission ihre Stellungnahme abgegeben. Sie meint, dass das Pauschal-Verbot von Zugaben mit der EU-Richtlinie grundsätzlich unvereinbar sei, da die erforderliche Beurteilung des
irreführenden, aggressiven oder sonst unlauteren Charakters einer Geschäftspraktik im Einzelfall von den Gerichten vorzunehmen sei. Bereits Mitte der 90er-Jahre hat der EuGH aber in dem Familiapress-Verfahren (EuGH C-368/2005) beurteilt, dass die Aufrechterhaltung der Medienvielfalt ein Grund dafür sein kann, ein Verbot von Zugaben, die Verbrauchern ganz konkret neben periodischen Druckwerken (Zeitungen und Zeitschriften) angeboten, angekündigt oder gewährt werden, bei zu behalten: Große ausländische Verlage sollen den österreichischen Markt nicht mit übermäßigen Zugaben „infiltrieren“ können, die sich kleine Presseunternehmen in Österreich nicht leisten können. Durch diesen Hintergrund im Medienbereich könne ein Zugabenverbot bei Zeitungen und Zeitschriften trotz der EU-Richtlinie, die den Verbraucherschutz vor Augen hat, aufrecht erhalten werden und sei insofern mit gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben vereinbar – so zumindest die Stellungnahme der EU-Kommission.

Letztlich bleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Frage, ob nicht auf Basis der derzeitigen EuGH-Entscheidungen ohnehin nationales Recht „verdrängt“ wird, d.h. nicht anzuwenden ist, sondern das gelten soll, „was der EuGH sagt“: Es wäre zu schön, wenn es so einfach wäre – denn die Richtlinie, auf die der EuGH verweist, ist ein EU-Rechtsetzungsakt, der an sich nicht unmittelbar anwendbar ist, sondern nationaler Regelungen (hier im UWG) bedarf. Wenn diese der Richtlinie widersprechen oder sie einfach nicht umsetzen, ist die unmittelbare Anwendbarkeit bei derartigen Richtlinien fraglich.  Es bleibt also spannend!

Mag. Constantin Kletzer, Rechtsanwalt bei Fiebinger, Polak, Leon & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien

Erschienen auch in der Wirtschaftsblatt Beilage „Anwälte für die Wirtschaft“ am 17.3.2010

Foto: Walter J. Sieberer

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