Überwachung, Kontrolle und Datenschutz werden sowohl aus Gründen der betrieblichen Sicherheit, als auch zur Vermeidung von Produktivitätsverlusten immer wichtiger. Wieviel Mitarbeiterüberwachung erlaubt ist erklärt Arbeitsrechtsexperte Dr. Rudolf Ganzert im Interview
Redaktion: Welche rechtlichen Rahmenbedingungen müssen Unternehmen bei generellen Kontrollmaßnahmen beachten?
Ganzert: Arbeitsrechtlich sind insbesondere die einschlägigen Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes und der Arbeitsvertrag zu beachten. Doch auch das Datenschutzrecht enthält relevante Regelungen an die gedacht werden muss. Gerade das wird in der Praxis aber leider gerne übersehen. Für generelle Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren, also z.B. Leibesvisitationen am Werkstor, ständige Videoüberwachung, GPS-Ortungsgeräte in Dienstautos, ist die Zustimmung des Betriebsrates in Form einer Betriebsvereinbarung notwendig, welche jedoch durch den Arbeitgeber nicht erzwungen werden kann. In betriebsratslosen Betrieben muss überhaupt jeder betroffene Arbeitnehmer den Kontrollmaßnahmen zustimmen. Berührt eine Kontrollmaßnahme die Menschenwürde des Arbeitnehmers nicht nur, sondern verletzt diese sogar, wie z.B. das Filmen in Umkleideräumen, so ist die Maßnahme jedenfalls unzulässig. Wird jedoch z.B. nur der Mitarbeiterparkplatz videoüberwacht, ohne dabei den einzelnen Arbeitnehmer direkt zu kontrollieren, so bedarf dies gar keiner Zustimmung.
Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Privatnutzung von Internet und E-Mail?
Nein! Der Arbeitgeber kann die Privatnutzung gänzlich untersagen oder auch ausdrücklich erlauben. Ebenso kann er sie beschränken, indem er z.B. einzelne Webseiten sperrt oder sie nur in der Mittagspause erlaubt. Ich empfehle dringend, genaue Nutzungsregelungen im Unternehmen zu vereinbaren, um Klarheit für beide Seiten zu schaffen. Aus Arbeitgebersicht ist die gänzliche Untersagung jedenfalls die unproblematischste Variante. In speziellen Fällen, wie z.B. einer unaufschiebbaren Behördenkorrespondenz, darf der Arbeitnehmer die Betriebsmittel aber sogar bei einer gänzlichen Untersagung der Privatnutzung dennoch nutzen.
Was gilt, wenn es in meinem Unternehmen keine Regelung gibt?
Leider kommt das in der Praxis oft vor! Im Falle des Fehlens klarer Regelungen erlangt das widerspruchslose Tolerieren der Privatnutzung durch den Arbeitgeber im Wege der Betriebsübung stillschweigend rechtliche Bedeutung und kann dann die Privatnutzung grundsätzlich nicht mehr einseitig abgestellt werden.
Welche Kontrollmöglichkeiten der Nutzung hat der Arbeitgeber?
Wie schon gesagt, bedürfen Kontrollmaßnahmen, welche die Menschenwürde berühren, wie z.B. die Installation von Überwachungsprogrammen, der Zustimmung des Betriebsrates bzw. des einzelnen Arbeitnehmers. Aber selbst dann muss das Ausmaß der Kontrolle verhältnismäßig sein und das jeweils gelindeste zum Ziel führende Mittel verwendet werden. Besteht jedoch ein ganz konkreter Verdacht gegen einen Arbeitnehmer, z.B. wegen Betriebsspionage, Untreue oder dem Download von Kinderpornos, ist keine vorherige Zustimmung zur Kontrolle notwendig. Jedenfalls immer tabu für den Arbeitgeber sind erkennbar private E-Mails. Pauschal kann gesagt werden, dass die zulässigen Kontrollmöglichkeiten bei einer gänzlichen Untersagung der Privatnutzung weiter reichen, als bei einer (eingeschränkt) erlaubten Privatnutzung. Bei wiederholter unzulässiger Privatnutzung kann der Arbeitnehmer, nach bereits erfolgter Verwarnung, unter Umständen sogar entlassen werden. Darüber hinaus können auch Schadenersatzansprüche, z.B. für Schäden durch Viren und Trojaner, geltend gemacht werden. Aus anwaltlicher Sicht ist noch anzumerken, dass in Gerichtsprozessen mit Arbeitnehmern auch unzulässig, rechtswidrig erlangte Beweismittel herangezogen werden können und diese dann der freien Beweiswürdigung des Gerichtes unterliegen.
Bring your own device wird immer beliebter. Was gilt es hier zu beachten?
Die Verwendung von Privateigentum des Arbeitnehmers birgt zahlreiche Sicherheits- und Haftungsrisken für den Arbeitgeber. Es sollten daher klare Vereinbarungen geschlossen werden, welche zumindest die Themen Verwendung/Verwahrung des Gerätes, Kontrollmöglichkeiten, Zugriffsrechte, Verlust/Diebstahl, Kostentragung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses behandeln. Besonders wichtig bei BYOD ist der rechtskonforme Schutz vertraulicher und sensibler Daten, da es hier nämlich sogar zu einer persönlichen Haftung des Geschäftsführers kommen kann.
Stichwort Whistleblowing?
Die Implementierung eines Whistleblowing-Systems im Unternehmen, z.B. als Hotline oder Internetplattform, muss vorab bei der Datenschutzkommission gemeldet werden. In ihrer üblichen Ausgestaltung ist bei solchen Systemen eine Betriebsvereinbarung bzw. Zustimmung des einzelnen Arbeitnehmers notwendig, da durch die ständige gegenseitige Überwachung der Arbeitnehmer untereinander, deren Menschenwürde berührt wird.
Das Interview führte Walter J. Sieberer
Foto: Walter J. Sieberer
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