Erstmals Regelungen für den Börserückzug – ab 2018 ist ein Delisting für börsenotierte Aktiengesellschaften auch vom Amtlichen Handel möglich.
Wien/Mödling. Der Börsegang war für Emittenten bisher eine Einbahnstraße. Eine Notierung im Amtlichen Handel an der Wiener Börse konnte freiwillig nicht beendet werden. Ein Going private war praktisch nur durch Squeeze-out oder den unsicheren Umweg einer Verschmelzung auf eine nicht-börsenotierte Gesellschaft („kaltes“ Delisting) erreichbar.
Ab 2018 wird ein Delisting auf Antrag des Emittenten erfolgen können, wenn der Maßnahme ein Angebot an die Aktionäre zum Erwerb ihrer Aktien vorangeht. Die Hauptversammlung hat das Delisting mit qualifizierter 3/4-Kapitalmehrheit zu beschließen; kein Beschluss ist erforderlich, wenn bereits Aktionäre mit zusammen 75%-Beteiligung das Delisting verlangen.
Durch das Delisting fällt die Börse als Handelsplatz für die Aktien weg. Den Aktionären muss als Ausstiegsmöglichkeit innerhalb von sechs Monaten vor dem Delisting ein so genanntes „Angebot zur Beendigung der Handelszulassung“ zum Kauf der Aktien, durch einen Bieter (Aktionär/Dritter) oder die Gesellschaft, erstattet worden sein. Eine Ausnahme von der Angebotspflicht gilt, wenn die Aktien im Europäischen Wirtschaftsraum notiert bleiben und an diesem Börseplatz ein gleichwertiges Delisting-Schutzniveau gilt.
Die Mindestpreise für das Angebot sind – wie für Pflichtangebote – der 6-Monats-VWAP (volumengewichteter Durchschnittskurs) der Aktie und der höchste Vorerwerbspreis des Bieters, oder gemeinsam vorgehender Rechtsträger, in den letzten 12 Monaten.
Darüber hinaus gilt als neue zusätzliche Preisuntergrenze der 5-Tage-VWAP der Aktie vor Bekanntgabe der Absicht, die Handelszulassung zu beenden. „Mit dieser Preisgrenze begegnet der Gesetzgeber niedrigen Angebotspreisen durch Wahl des Zeitpunkts für das Delisting; wenn sich etwa längere Perioden mit gedrücktem Kursniveau stärker im sechs monatigen volumengewichteten Durchschnittskurs auswirken“, analysiert Christoph Nauer, Partner bei bpv Hügel.
Vorrangig richtet sich der Angebotspreis nach dem Börsekurs. Nur wenn der so ermittelte Preis offensichtlich unter dem tatsächlichen Wert des Unternehmens liegt, ist dieser angemessen durch eine Unternehmensbewertung festzulegen. Die Übernahmekommission ist für die Preiskontrolle zuständig. Die Überprüfung wird auch durch einen „Markttest“ beschränkt: Beträgt die Annahmequote über 50% des Angebotsumfangs, kann ein Antrag auf Überprüfung nicht auf eine angebliche Unangemessenheit des Preises gestützt werden.
„Es ist zu begrüßen, dass sich der Preis für ein ‚Delisting-Angebot‘ vorrangig nach dem Börsekurs zu richten hat. Durch das Delisting fällt der Handelsplatz weg, an dem der Börsekurs maßgeblich ist. Fundamentalbewertungen (Unternehmensbewertungen) zur Preisfindung wären daher hier im Grundsatz nicht die richtige Methode“, betont Christoph Nauer, Partner bei bpv Hügel.
Foto: beigestellt
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