Das Recht der Kunstfälschungen II

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Irrtum über die Identität des Schöpfers.

Was wie ein theologisch-philosophisches Problem klingt, benennt eine interessant zu beobachtende Rechtsprechungslinie des Obersten Gerichtshofes seit mehr als 80 Jahren. Der Irrtum eines Käufers über die wahre Urheberschaft eines Werks wird nur in immer engeren Grenzen als Anfechtungsgrund für die Rückabwicklung des Kaufs anerkannt. Im so genannten „Stainer-Geigen“-Fall 1929 (3 Ob 968/29) entschied der OGH noch, dass ein gemeinsamer Irrtum über eine wesentliche Eigenschaft des Vertragsgegenstandes den Vertrag anfechtbar machen kann, wenn diese Eigenschaft nach der Absicht der Parteien zur Grundlage ihrer Willensübereinstimmung erhoben wurde. „Die fehlende Originalität eines Kunstwerkes“ wurde noch 1989 vom OGH als ein typischer wesentlicher Geschäftsirrtum bezeichnet (6 Ob 672/89). In dieser Entscheidung sprach der OGH allerdings auch aus, dass der „Käufer das Risiko voll auf sich“ nahm, als er von einem Galeristen ein signiertes Werk erwarb, das von einem Gutachter als echt bestätigt und in der Galerie mit dem Hinweisschild „bezeichnet [Künstlerin]“ (statt etwa „gemalt von [Künstlerin]“) angeboten worden war. Beim Anbot eines signierten Gemäldes sei der Hinweis „bezeichnet…“ als Einschränkung zu verstehen, sodass „die Zweifelhaftigkeit der Urheberschaft geradezu zur Geschäftsgrundlage gehört“.

Expertise als Glücksspiel. Wer einen angeblichen Damien Hirst um ein paar Euro am Flohmarkt erwirbt, kann wohl nicht ernsthaft damit rechnen, ein Original zu erwerben. Auch abgesehen von solch offenkundigen Fällen geht der Kunstkäufer meistens ein gewisses Fälschungsrisiko ein. Zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler können notfalls befragt werden, ob ein bestimmtes Werk von ihnen stammt. Bei älteren Werken ist der potentielle Käufer entweder auf seinen eigenen Sachverstand oder auf den Rat eines Experten angewiesen. Verlässliche Sicherheit bieten solche Gutachten nach der Rechtsprechung allerdings nicht. Auch in der Praxis sind zahlreiche als Fälschungen entlarvte Werke im Vorfeld oftmals von Fachleuten als Original ausgewiesen worden. Dem entsprechend befasste der OGH sich bereits vor mehr als 80 Jahren damit, dass bei älteren Kunstgegenständen „auch ein Sachverständiger niemals eine objektiv nachprüfbare Aussage über die genaue Herkunft machen“ könne. Ein Kunstkauf sei „daher regelmäßig mit einer nicht vollständig zu beseitigenden Unsicherheit behaftet“ und der Käufer handelt „dem aleatorischen Charakter eines derartigen Geschäfts entsprechend, auf eigene Gefahr“ (SZ 11/255). Diese Überlegungen finden noch heute Eingang in die Judikatur.

Vertrauen, Kontrolle und Nachbetreuung. Ähnlich lautet auch die neueste einschlägige Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (9 Ob 13/09s), die jüngst in den Medien – teils unter der Titelzeile „Kunsthändler haften nicht für Fälschungen“ und dergleichen bedenklich verkürzt – diskutiert wird. Die Entscheidung bietet in ihrem Kernbereich juristisch nicht viel Neues,  hatte aber erstmals die Frage der Grenzen nachvertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten des Kunsthändlers zum Thema. Im Anlassfall tauchten beim Verkäufer nachträgliche, jedoch nicht gesicherte Verdachtsmomente hinsichtlich mehrerer, scheinbar von Oskar Laske stammender, Werke auf. Der Verkäufer benachrichtige die Käuferin vorerst nicht. Die Käuferin erfuhr Jahre später, dass sie möglicher Weise kein Original gekauft hatte, und nahm Kontakt zu ihrem Kunsthändler auf, der sich mit einer Rückabwicklung einverstanden erklärte und eine Gutschrift in Höhe des Kaufpreises anbot. Die Käuferin war mit der angebotenen Lösung nicht zufrieden und klagte auf Auszahlung des Kaufpreises wegen Irrtums und Gewährleistung. Im Verfahren wurde nicht geklärt, ob das betreffende Werk ein Original ist. Das Klagebegehren wurde letztlich wegen Verjährung abgewiesen. Das Vorhandensein einer besonderen nachvertragliche Sorgfalts- oder Aufklärungspflicht (welche die Käuferin vorgebracht hatte, um dem Verjährungseinwand des Verkäufers zu entgegnen) verneinte der OGH mit Hinweis auf die „durch Interessensabwägung auszulotenden Grenzen“. Nachvertragliche Warnpflichten finden sich vor allem bei absolut geschützten Rechten wie körperliche Unversehrtheit, beispielsweise bei gefährlichen Waren, bei denen auch die Pflicht zur Rückholung besteht.

Pflichten des Kunsthändlers. Den Kunsthändler trifft grundsätzlich die Pflicht zur Kontrolle der gehandelten Ware und zur notwendigen Aufklärung mit dem Sorgfaltsmaßstab eines Sachverständigen, führt das Höchstgericht aus. Die Latte des Leistungsstandards in Kunsthändlerkreisen wurde vom Höchstgericht – erfreulicher Weise – sehr hoch gelegt. Im oben wiedergegebenen höchstgerichtlich entschiedenen Fall wurden, so der OGH, die „in Kunsthändlerkreisen üblichen Vorkehrungen getroffen“: Der Kunsthändler hatte von einem anderen Kunsthändler gekauft, und dieser wiederum galt in Expertenkreisen unbestritten als Übernehmer eines Gutteils der Verlassenschaft nach dem verstorbenen Künstler. Auch andere Kunsthändler hatten von diesem mehrere Werke erworben und in Verkehr gesetzt und das Werk war in einer gutachterlichen Stellungnahme für echt befunden worden.

Plädoyer für Qualität in der Betreuung. Weniger der Anlassfall des OGH, als vielmehr das verzerrte Bild in der Öffentlichkeit werden von vielen Kunsthandelnden kritisiert und der ungerechtfertigte Imageschaden bedauert. Galeristen und Kunsthändler sind schließlich die wichtigsten Vertrauenspersonen der Sammler. Galerien, die zeitgenössische Kunst vertreiben, bieten ihren Kunden auf einzelvertraglicher Basis oftmals ein Rückverkaufsrecht, um ihr Vertrauen in die Kunstschaffenden und die Werthaltigkeit ihrer Werke zu dokumentieren. Händler und Galerien, die ältere Werke feilbieten, bieten ihren Käufern oftmals Gutachten und Dokumentation, und nicht selten auch eine lückenlose Eigentümer- und Ausstellungsgeschichte an. Falls doch einmal eine Fälschung auftauchen sollte, so empfiehlt der Verband Österreichischer Antiquitäten- und Kunsthändler seinen Mitgliedern, das Werk gegen Erstattung des Kaufpreises zurückzunehmen.

Ethik-Kodex der Kunsthändler. Aus Anlass der Presseberichte in den letzten Tagen hat Horst Szaal, Präsident des Verbandes Österreichischer Antiquitäten- und Kunsthändler, angekündigt, einen Ethik-Kodex herauszugeben, dem der Kunsthandel sich freiwillig unterwerfen soll. Wie bereits jetzt in einigen Aussteller- und Verkaufsbedingungen bei Messen und Auktionen vorgesehen, sollen Kunsthändler hinkünftig ausdrücklich verpflichtet werden, bei Verkäufen hinsichtlich der Echtheit und Zuschreibung Gewähr zu leisten. Falls eine Fälschung geltend gemacht wird, soll der Verkäufer auf die Einrede der Verjährung verzichten. Ein solcher freiwilliger Verjährungsverzicht würde es freilich auch nötig machen, dass unter Kunsthändlern ebenfalls auf die Verjährungseinrede verzichtet wird, damit allenfalls wirksam Regress genommen werden kann. Eine weitere wünschenswerte Bestimmung wäre, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen für unzulässig erklärt werden, die den Verzicht auf Irrtumsanfechtung vorsehen. Auch Regeln zur klaren Bezeichnung der Urheber wären höchst willkommen. Sollte es gelingen, einen solchen Kodex zu etablieren und auf breiter einzelvertraglicher Basis in die Realität umzusetzen, verlöre das Phänomen Kunstfälschung ein wenig an Schrecken.

Peter Melicharek ist Rechtsanwalt in Wien und berät institutionelle und private Sammler bei Akquisitionen von Kunstwerken

www.advocatur-bureau.at

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