Entsendevereinbarung beleuchtet

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Etwa 10-15% der Arbeitsrechtscausen des Arbeitsrechtexperten Dr. Philipp Maier beschäftigen sich mit dem Thema Entsendung. Die wichtigsten Fragen im Interview.

Da es gerade bei der Entsendung von Mitarbeitern sehr ins Detail gehen muss und ein nicht geringer Beratungsaufwand entsteht, hat sich das Wirtschaftsblatt in einem Interview diesem Thema gewidmet. Neben dem Arbeitsrecht sind notwendigerweise sozialversicherungs-, steuerliche Aspekte und auch die  individuellen Wünsche der Mandanten zu beachten.

RED.: Wie bewerten Sie anteilsmäßig die Beratungsrichtung?
MAIER: Zum überwiegenden Teil beraten wir über die Entsendung österreichischer Mitarbeiter ins Ausland, d.h. wenn Österreichische Unternehmen Mitarbeiter zu ausländischen Töchtern entsenden wollen.

RED.: Welche arbeitsrechtlichen Regelungen muss ein Unternehmer nun beachten wenn er einen Mitarbeiter für längere Zeit im Ausland beschäftigen möchte?
MAIER: Vorab gilt es zu unterscheiden ob es sich um EWR Raum oder um Drittstaaten handelt. Im EWR Raum gilt die Entsendungsrichtlinie. Diese legt unabhängig vom anzuwendenden Recht gewisse Mindestarbeits – und Beschäftigungsbedingungen fest, damit soll Sozialdumping verhindert werden, eine Fairness am Europäischen Markt herrschen und weiters Niedriglohnländer nicht etwa bevorzugt werden, wenn deren Recht auf das zukünftige Dienstverhältnis Anwendung finden würde. Das anwendbare Recht richtet sich  nach der Rom I Verordnung in der verschiedene Kriterien für das anwendbare Recht geregelt sind – aber in der Entsenderichtlinie werden eben Mindestbedingungen festgesetzt wie Höchstarbeitszeiten, Mindestprobezeiten, Mindestentgeltgrenzen, Urlaubsanspruch, Gleichbehandlungsgrundsätze und natürlich Arbeitnehmerschutzbestimmungen die jeweils auf das Arbeitsverhältnis unabhängig vom geltenden Recht Anwendung finden. Die Entsendungsrichtlinie gilt nicht für Drittstaatsangehörige, also Personen die von außerhalb des EWR Raumes nach Österreich entsandt werden oder in den Nicht-EWR Raum entsandt werden. Wenn jemand in Österreich beschäftigt wird gilt die  Rom I Verordnung, wenn jemand in den Nicht-EWR Raum entsandt wird, dann gelten die jeweiligen kollisionsrechtlichen Regelungen des betreffenden Landes. Es ist hier dann im Einzelfall zu prüfen welches Recht zur Anwendung kommt.

RED.: Wenn ich jetzt innerhalb des EWR Raumes einen Mitarbeiter versende, welche besonderen arbeitsrechtlichen Aspekte sollte ich in die Entsendungsvereinbarung einfließen lassen?
MAIER: Zuerst sind einmal durch das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz bestimmte Mindestbedingungen geregelt wie z.B. welches Entgelt bezahlt wird, wie die Arbeitszeiten sind, welcher Urlaubsanspruch entsteht, welche Kündigungsbestimmungen auf die Entsendungsvereinbarung Anwendung finden, was die Arbeitspflicht ist, der Umfang und der Arbeitsort – also die Grundstruktur einer Entsendevereinbarung. Das gibt der Gesetzgeber vor – wenn diese rechtliche Basis nicht besteht dann besteht die Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer Anweisungen im Rahmen der Auslandsentsendung nicht befolgen muss, oder einseitig die Auslandsentsendung abbrechen kann. Dabei entsteht dann ein rechtsfreier Raum in dem die beiden Vertragspartner im Ausland nicht agieren können.
Was oft vergessen wird, sind Dinge die für den wirtschaftlichen Gesichtspunkt sehr wichtig sind wie Administration, Führerschein, Mietwohnung und die notwendigen Bewilligungen.
Ein sehr wichtiger Punkt in einer Entsendevereinbarung sind natürlich auch die Kosten wie Reisekosten, Umzugskosten und die Kosten die entstehen, wenn die Familie mitkommen darf. Weiters ist es auch wichtig wie man denn den Arbeitnehmer wieder zurückführt, ob man z.B. Ansprüche auf die bisherige Tätigkeit hat.

RED.: Welche Möglichkeit gibt es eine Entsendungsvereinbarung bereits in den Dienstvertrag zu integrieren, sodass ein Dienstortwechsel möglich ist?
MAIER: Bei einem normalen Dienstvertrag ist die Schwelle die Zumutbarkeit . Es ist durchaus möglich eine Entsendungsmöglichkeit in  Form einer Arbeitstortflexibilitätsklausel in den Arbeitsvertrag einzubauen wobei der Rahmen der Entsendung und die Zumutbarkeitsgrenze erweitert wird. Die Zumutbarkeitsgrenze hängt aber natürlich von der Tätigkeit ab.

RED.: Da man ja meistens nur sehr gute Mitarbeiter ins Ausland schickt, besteht natürlich die Möglichkeit, dass diese dort dementsprechend andere gute Angebote bekommen. Kann man diese mit einer Entsendungsvereinbarung an das Unternehmen binden?
MAIER: Grundsätzlich bleibt das Dienstverhältnis mit dem zu entsendenden Unternehmen aufrecht, darauf ist Österreichisches Recht anwendbar und kann somit nur nach den österreichischen Regelungen von dem jeweiligen Dienstnehmer aufgekündigt werden. Beschränkungen die über das gesetzliche Ausmaß hinausgehen wären daher unzulässig. Es gibt eine Konkurrenzklausel mit der man verhindern kann dass der Arbeitnehmer mit Ende des Dienstverhältnisses bei einem konkurrierendem Unternehmen tätig wird – für maximal 1 Jahr.

RED.: Inwieweit fließt das ausländische Arbeitsrecht in das Arbeitsrecht des Dienstvertrages ein?
MAIER: Da spielt zunächst die Entsenderichtlinie ein Rolle, die  Mindestbedingungen in jedem EWR Staat sicherstellt. Wenn man z.b. einen slowenischen Arbeitnehmer nach Österreich entsendet, dann  finden die österreichischen Mindestarbeitsbedingungen nach der Entsenderichtlinie Anwendung, die in Österreich durch das Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz und durch das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz umgesetzt werden. Das sind die Mindestarbeitsbedingungen. Die Rom I Verordnung regelt grundsätzlich das anwendbare Recht bei Dienstverträgen, dabei kommt es auf den gewöhnlichen Arbeitsort an. Wenn man vom vorher genannten Fall ausgeht, findet das slowenische Arbeitsrecht Anwendung,  mit – bei einer Entsendung nach Österreich – den österreichischen Mindestarbeitsbedingungen, aber grundsätzlich slowenisches Arbeitsrecht. Das betrifft z.B. das Arbeitsvertragsrecht, dh. was darf man bei Konkurenzklauseln vereinbaren; Dienstverhinderungen, wie die Entgeltfortzahlung im Falle eines Krankheitsfalls und die Auflösung des Dienstverhältnisses, wie Kündigungsfristen, Kündigungstermine und Kündigungsschutz.

RED.: Danke für das Interview und die folgenden 5 Antworten auf unsere Schlagworte.

RED.: Kosten
MAIER: Abklären wer Spesen und Kosten die für den Arbeitnehmer im Falle der Entsendung enstehen übernimmt.

RED.: Rückführung
MAIER: Es sollte vorab abgeklärt werden, welche Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer nach der Entsendung hat.

RED.: Beendigung?
MAIER: Wie kann ich die Entsendevereinbarung einseitig als Arbeitgeber beenden? Koppelungsklausel vereinbaren?

RED.: Ruhendstellung?
MAIER: Wichtig ist es das bisherige Dienstverhältnis ruhend zu stellen wird – beide Vertragsverhältnisse laufen weiter.

RED.: Rechtswahlklausel?
MAIER: Nur wirksam wenn das vereinbarte Recht nicht ungünstiger für den Arbeitnehmer ist.

Dr. Philipp Maier Rechtsanwalt
www.bakermckenzie.com

Interview / Fotos:

Ing. Mag. Walter J. Sieberer

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