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Die gesellschaftliche Treuepflicht gebietet bei Ausübung des Stimmrechts eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter.
Mittlerweile ist es unstrittig, dass ein Gesellschafter einer GmbH der Treuepflicht unterliegt, und zwar nicht nur der Gesellschaft, sondern auch seinen Mitgesellschaftern gegenüber.
Diese Treuepflicht orientiert sich dabei an den weiten sowie vagen Grundsätzen von Treu und Glauben sowie des redlichen Verkehrs und am Gebot der guten Sitten und gebietet daher bei Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter.
Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gebietet es allerdings nicht, die Interessen der Gesellschaft stets über jene des Gesellschafters zu stellen. Inwiefern sogenannte „eigennützige“ Rechte des Gesellschafters – also solche, die ausschließlich oder zumindest primär seinen eigenen Interessen dienen – sohin auch gegen die Interessen der Gesellschaft ausgeübt werden dürfen, ist im Einzelfall nicht restlos geklärt. Zumindest in Zusammenhang mit Gewinnverteilungsansprüchen eines GmbH-Gesellschafters gibt der OGH mit zwei jüngeren Entscheidungen aber nunmehr die Richtung vor und zeigt gleichzeitig die Grenzen der Treuepflicht bei der Ausübung des Stimmrechts auf.
Ganz grundsätzlich gilt, dass die Entscheidung über die Gewinnverwendung dem Beschluss der Gesellschafter vorbehalten ist. Dies ist jedoch nicht automatisch mit der Zulässigkeit willkürlicher Gewinnverteilung oder -zurückhaltung in der GmbH gleichzusetzen. Der OGH sprach nunmehr aus, dass ein GmbH-Gesellschafter – sofern eben nicht gesellschaftsvertragliche Bestimmungen entgegenstehen – nicht automatisch schon dann gegen die Ausschüttung des Bilanzgewinnes zu stimmen hat, wenn die Thesaurierung für die Gesellschaft günstiger als die Ausschüttung ist.
Allerdings kann es (im jeweils zu prüfenden Einzelfall) dann treuwidrig sein, für eine Ausschüttung des Bilanzgewinnes zu stimmen, wenn die Interessen der Gesellschaft an der Thesaurierung die Interessen des Gesellschafters an der Ausschüttung massiv übersteigen. Dies ist dann anzunehmen, wenn das Interesse der Gesellschaft an der Bildung der Rücklage besonders stark ausgeprägt ist, etwa wenn die Rücklagenbildung für die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft erforderlich ist.
Geschäftsführer einer GmbH müssen unter bestimmten Voraussetzungen eine von Gesellschaftern beschlossene Gewinnausschüttung verweigern.
Ebenso stellt die Stimmabgabe für die Ausschüttung des Bilanzgewinnes eine Treuwidrigkeit dar, wenn der Gesellschafter vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 82 Abs 5 GmbHG weiß: Eintreten von Verlusten im laufenden Geschäftsjahr und dadurch eintretende erhebliche und voraussichtlich nicht bloß vorübergehende Schmälerung des Vermögensstands der Gesellschaft, die zum Ausschluss der Verteilungsfähigkeit des verteilungsfähigen Bilanzgewinns führt. Diese Bestimmung bezweckt den Gläubigerschutz und wird deshalb zutreffend als zwingend angesehen. Unter diesen Voraussetzungen haben die Geschäftsführer die Auszahlung selbst dann zu verweigern, wenn die Gesellschafter Gegenteiliges beschlossen haben.
Zur Gefährdung der Existenz der Gesellschaft führt der OGH aus, dass von einer solchen nicht ohne weiteres und noch nicht gesprochen werden kann, wenn für die Durchführung der Gewinnausschüttung eine Kreditaufnahme erforderlich sein sollte, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht auch „nicht sinnvoll“ sein mag.
Im Übrigen entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass das Stimmverhalten überhaupt nur dann treuwidrig sein kann, wenn die Umstände, die den Verstoß gegen die Treuepflicht begründen, bereits zum Zeitpunkt der Stimmabgabe vorliegen.
Redation / Foto: Walter J. Sieberer
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