Mehrwert: Unternehmenserwerb in der Krise

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Für Investoren ist es aktuell besonders interessant, Unternehmen in der Krise günstig zu erwerben. Inhärente Risken und Chancen lassen sich bei geschickter Vertragsgestaltung in echten Mehrwert für den Erwerber ummünzen!

Sowohl der Verhandlungspartner – vor Insolvenzeröffnung der Eigentümer, danach der Insolvenzverwalter – als auch die Strukturierung des Erwerbes als Asset oder Share Deal beeinflussen die Gestaltungsmöglichkeiten des Erwerbers.

Unternehmenserwerb vor Insolvenzeröffnung.
Im Fall des Erwerbes mittels Share Deals (Anteilserwerbs) vom Eigentümer ist neben einem üblichen Gewährleistungskatalog vor allem an eine käuferfreundliche Kaufpreisgestaltung und werthaltige Sicherheiten zu denken. Letztere sind nur dann von echtem Wert, wenn sie von Dritten stammen, etwa (persönliche) Bürgschaften des mittelbaren Eigentümers oder Hypotheken auf unbelasteten Liegenschaften.

Hat der Erwerber das Gefühl, die „Katze im Sack“ zu kaufen, empfiehlt es sich jedenfalls, ein Rücktrittsrecht zu vereinbaren. Zwar ist ein solches Rücktrittsrecht für den Fall der „Eröffnung“ eines Insolvenzverfahrens gemäß § 25b IO unzulässig, zulässig ist und bleibt jedoch das Anknüpfen an einen Zeitpunkt knapp davor, also etwa die „Antragstellung“ des Insolvenzantrages. Geschickte Vertragsgestaltung ist hier unabkömmlich.

Beim Unternehmenskauf ieS (Asset Deal) kann es sich für den Erwerber durchaus rechnen, die Anwendbarkeit des dispositiven § 38 UGB (der eine Art unternehmensbezogene „Gesamtrechtsnachfolge“ anordnet) auszuschließen. Diesfalls ist zwar im Einzelfall die Zustimmung der Vertragspartner für den Vertragsübergang mit Lieferanten, Kunden etc. einzuholen, die Haftung für unbekannte Verbindlichkeiten kann jedoch ausgeschlossen werden. Dritten gegenüber ist ein solcher Haftungsausschluss vor allem durch eine entsprechende Firmenbucheintragung wirksam und daher für den Käufer dringend anzuraten.
Wird ein Unternehmen – noch vor Insolvenzeröffnung – mittels Asset Deals erworben, könnte der Käufer auch den Abschluss des Kaufvertrages und die folgenden Übertragungsakte so gestalten, dass eine vollständige Erfüllung (Closing) erst zu einem Zeitpunkt deutlich nach dem Verpflichtungsgeschäft (Signing) stattfindet. Kommt es zwischen Signing und Closing tatsächlich zur Insolvenzeröffnung des Verkäufers, so hat der Insolvenzverwalter als Verkäufer zumindest das Recht, die Erfüllung – d.h. die Übertragung des Unternehmens – gem § 21 Abs 1 IO zu verweigern. Diesbezüglich wäre auch denkbar, dass sich ein Käufer etwa ein Konsultationsrecht mit dem künftigen Insolvenzverwalter ausbedingt, um zumindest gewissen Einfluss auf den Insolvenzverwalter zu nehmen.

Vertragsauflösung nach § 21 Abs 2 IO. In Fällen, in denen der Kaufvertrag zwar vor Insolvenzeröffnung abgeschlossen, aber noch nicht vollständig abgewickelt wurde, bietet auch § 21 Abs 2 IO ein zusätzliches „Druckmittel“ zugunsten des Käufers: Ist der Schuldner (Verkäufer) zu einer nicht in Geld bestehenden Leistung – wie etwa zur Übertragung des Unternehmens oder von Unternehmensteilen – verpflichtet und damit in Verzug, kann der nicht insolvente Vertragspartner (Käufer) vom Insolvenzverwalter verlangen, sich binnen fünf Arbeitstagen darüber zu erklären, ob er den Vertrag erfüllen wird. Erklärt sich der Insolvenzverwalter nicht oder nicht rechtzeitig, wird angenommen, dass der Insolvenzverwalter vom Vertrag zurücktritt.

MAC-Klauseln. Der Käufer ist naturgemäß daran interessiert vom Kaufvertrag zurück treten zu können, bevor es überhaupt zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommt. Diesfalls bieten sich sog. MAC-Klauseln (MAC: material adverse change) im Kaufvertrag an, demgemäß der Kaufvertrag unter der (aufschiebenden) Bedingung steht, dass zwischen Signing und Closing keine wesentliche nachteilige Veränderung der wirtschaftlichen Lage des Zielunternehmens eintritt. Sollte es zu einer solchen wesentlichen Verschlechterung kommen, so steht dem Käufer nach den üblichen MAC-Klauseln die Möglichkeit zur Vertragsauflösung oder zum Schadenersatz zu. Die Wirksamkeit solcher MAC-Klauseln ist nunmehr an § 25b Abs 2 IO zu messen. Danach ist die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts für den Fall der „Eröffnung“ eines Insolvenzverfahrens unzulässig.
Beim Share Deal wäre denkbar, dass die Zielgesellschaft insolvent wird; diesfalls wäre eine MAC-Klausel mit Rücktrittsrecht zugunsten des Käufers wohl zulässig. Wird hingegen der Verkäufer selbst insolvent, ist die Durchsetzbarkeit einer MAC-Klausel meist ausgeschlossen: § 25a Abs 1 IO sieht eine sechsmonatige Auflösungssperre vor, wenn der (Anteilskauf)Vertrag für die Fortführung des Unternehmens überlebenswichtig ist. Dies wird häufig der Fall sein, da andernfalls kein verkäuferseitiger Verkaufsprozess begonnen worden wäre.

Anfechtungsrisiko bei anschließendem Insolvenzverfahren. Alle in zeitlicher Nähe zur Insolvenzeröffnung getätigten Unternehmensverkäufe stehen unter dem nicht auszuschließenden Risiko der Anfechtung durch den späteren Insolvenzverwalter des Verkäufers. Eine Anfechtung kann aber bereits im Keim erstickt werden, wenn der Kaufpreis -zumindest argumentierbar- marktüblich war, eine Tatsache, die sich ein Erwerber in Form eines vorab eingeholten Bewertungsgutachtens bestätigen lassen sollte.

In der Praxis besonders bedeutsam ist die Anfechtung wegen „Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit“ nach § 31 IO. Bei einem Unternehmenskauf in der Krise wird dem Käufer, jedenfalls wenn er sorgfältig ist, möglicherweise aufgrund der Due Diligence Prüfung bekannt sein, dass es (auch) um den Verkäufer wirtschaftlich schlecht bestellt ist. Stehen die Übergabe des Kaufgegenstandes (Unternehmens) und die Bezahlung in engem zeitlichem Zusammenhang, ist allerdings eine Anfechtung nicht möglich, weil § 31 IO auf Zug-um-Zug-Geschäfte keine Anwendung findet. Einer solchen Abwicklung stehen aber oft anderweitige käuferfreundliche Überlegungen, insbesondere die spätere Zahlung oder Zurückhaltung eines Teiles des Gesamtkaufpreises zwecks Besicherung, im Weg. Einen „Kardinalsweg“ gibt es hier leider nicht, es ist im Einzelfall die beste Lösung für den Erwerber zu finden.

Beim Asset Deal ist auch die Ausnahmebestimmung des § 38 Abs 5 UGB zu beachten, welcher im Fall des Erwerbs aus der Insolvenz den übrigen § 38 UGB ausschließt. Dies ist bei näherer Betrachtung ein zweischneidiges Schwert: Zwar wird dadurch das Risiko der Übernahme von (unbekannten) Haftungen ausgeschlossen, gleichzeitig ist aber auch die „automatische“ (Mit-)Übertragung von bedeutsamen Vertragsverhältnissen, etwa mit Stammlieferanten oder –kunden, nicht anwendbar. Gerade das kann sich aber auf den Wert eines Unternehmens nachhaltig negativ auswirken.

Neue arbeitsrechtliche Aspekte. Bei Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung kommt es gemäß § 3 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) zu einer de facto Kündigungssperre für etwa sechs Monate nach dem Unternehmenserwerb. Bei Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung sowie Konkursverfahren steht dem Insolvenzverwalter als Veräußerer hingegen nach § 25 IO die Möglichkeit offen, Arbeitsverhältnisse zu beenden. Es kann daher für den Käufer im Einzelfall besser sein, noch vor Durchführung des Unternehmenskaufes die nahende Insolvenzeröffnung des Zielunternehmens abzuwarten, da sich dadurch einfachere Kündigungsmöglichkeiten der Belegschaft ergeben können. Im Falle des Erwerbes aus der Insolvenz heraus ist es ohnehin immer ratsam, mit dem Insolvenzverwalter Kündigungen vorab zu besprechen, sodass das Zielunternehmen bereits mit dem angemessenen Belegschaftsstand übernommen werden kann.

Dr. Thomas Trettnak
thomas.trettnak@chsh.com
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Redaktion/Foto: Walter J. Sieberer

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