News zum Prospektrecht: Auswirkungen auf die Emissionspraxis

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In Kürze stehen umfangreiche Änderungen beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren bevor. Ab 1.7.2012 ist die EU-Prospektänderungsrichtlinie umzusetzen. Flankierend zur Umsetzung der EU-Prospektänderungsrichtlinie tritt eine Änderung der EU-Prospektverordnung in Kraft.

Zusammenfassung: Zentrale Informationsquelle des Kleinanlegers.
Eine der wichtigsten Neuerungen für die Praxis, sowohl aus Emittenten- als auch aus Investorensicht – betrifft die Zusammenfassung des Prospektes: Diese soll künftig die „zentrale Informationsquelle der Kleinanleger“ sein und den einfachen Vergleich mit anderen Investments ermöglichen. Form und Inhalt werden standardisiert. Gleiche Informationen sollen an gleicher Stelle zu finden sein, der Anleger soll nicht bei jedem Produkt mit einem anderen Format und einer anderen Darstellung kämpfen müssen.

Die Zusammenfassung „Neu“ soll weiters kurz, einfach, klar und leicht verständlich sein, weshalb sie die sogenannten „Schlüsselinformationen“ enthalten muss. Dies sind all jene Informationen, die ein Anleger benötigt, um zu entscheiden, ob er einem Investment weiter nachgehen möchte. Sie sind so ausführlich zu gestalten, dass sie dem Anleger eine echte Entscheidungshilfe sind. Der Inhalt der Schlüsselinformationen ist vorgegeben (zB wesentliche Merkmale des Emittenten und der Wertpapiere samt Risiken). Die Zusammenfassung ist also nicht mehr wie bisher frei oder nach Marktusance zu textieren, sondern muss bei Inhalt und Aufbau der Prospektverordnung (Modulsystem) folgen.

Prospektausnahmen werden ausgeweitet.
Die (in der Praxis wichtige) Ausnahme von der Prospektpflicht für Mindestinvestments wird von EUR 50.000 auf EUR 100.000 angehoben, weil laut einer Erhebung der Europäischen Kommission auch Privatanleger bereits Investments von EUR 50.000 tätigen. Die Prospektausnahme bei einem Angebot an einige wenige Personen (bisher weniger als 100) wird ausgeweitet und auf weniger als 150 Personen erhöht. Die Prospektausnahme für Angebote an qualifizierte Anleger schließlich wird vereinheitlicht: Für die Prospektausnahme wird die Einstufung nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG) als „professioneller Kunde“ oder „geeignete Gegenpartei“ relevant sein, was in der Praxis zu einer willkommenen Vereinfachung führen wird.

Bestimmten Emittenten (zB Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung, KMUs, Bezugsrechtsangebote gelisteter AGs) soll der Zugang zum Kapitalmarkt erleichtert werden. Für diese Emittenten sind Vereinfachungen des Prospektes vorgesehen, meist im Sinne einer geringeren Offenlegungstiefe.

Schließlich erfolgt eine weitgehende Flexibilisierung für Mitarbeiterprogramme, sodass auch nicht-notierte Aktien, Aktien verbundener Unternehmen oder Aktien von Unternehmen außerhalb der EU den Mitarbeitern prospektlos angeboten werden können.

Emittenten mit Basisprospekten: Höherer Aufwand zu erwarten.
Emittenten, die wiederholt Schuldtitel begeben (zB Banken, aber auch größere Unternehmen), nutzen oftmals die Möglichkeit, emittentenbezogene (sowie allgemeine wertpapierbezogene) Angaben in einem Basisprospekt zu veröffentlichen, während die nähere Beschreibung der Wertpapiere den sog „endgültigen Bedingungen“ vorbehalten bleibt. Letztere dienen dazu, die Angaben des Basisprospektes für die jeweilige Emission zu individualisieren. Sie bedürfen keiner Billigung durch die Behörde, was zu einer signifikanten Zeitersparnis führt und die kurzfristige Ausnutzung günstiger Emissionsfenster ermöglicht.

Bisher hat die Praxis versucht, die endgültigen Bedingungen möglichst weit zu fassen, um die Wertpapierausgestaltung bis zum Emissionszeitpunkt flexibel halten zu können. Dies war dem EU-Verordnungsgeber aber ein Dorn im Auge – oftmals waren wichtige Informationen nicht Teil des Billigungsprozesses. Künftig werden daher Form und Inhalt der endgültigen Bedingungen detailliert festgeschrieben. Es ist keine maßgebliche Ergänzung des Prospektes durch die endgültigen Bedingungen mehr erlaubt. Den endgültigen Bedingungen muss übrigens künftig eine eigene (maßgeschneiderte) Zusammenfassung angeschlossen sein. Die Verordnung sieht drei Kategorien von Informationen vor, je nachdem, ob sie zur Gänze („A“) oder in Grundzügen („B“) im Prospekt enthalten sein oder ob sie erst in den endgültigen Bedingungen offengelegt werden müssen („C“). Emittenten werden bereits bei Prospektbilligung genau zu prüfen haben, ob die gewünschte künftige Ausstattung der Wertpapiere vom Prospekt gedeckt ist.

Neuerungen zum Rücktrittsrecht, zum Retailvertrieb und zum jährlichen Dokument.
Falls ein Nachtrag zu einem Prospekt veröffentlicht wird (wegen eines maßgeblichen neuen Umstandes, einer wesentlichen Unrichtigkeit oder Ungenauigkeit), soll Anlegern (nun einheitlich) zwei Arbeitstage lang ein Rücktrittsrecht zustehen, dh die (vorteilhafte) Sonderregelung für österreichische Konsumenten (bisher: sieben Tage) ist hinfällig. Vertriebe über Retailkaskaden sollen dadurch erleichtert werden, dass einen Intermediär keine Prospektpflicht trifft, wenn der Emittent ihm schriftlich erlaubt, sich auf den Prospekt zu berufen. Hierauf ist in Vertriebsvereinbarungen künftig zu achten. Schließlich wird das jährliche Dokument gemäß § 75a BörseG ersatzlos abgeschafft, was zu begrüßen ist.

Resümee.
Die Änderungen sind, wohl unter dem Eindruck der Finanzkrise, eher restriktiv. Der Verwaltungsaufwand wird nur geringfügig reduziert. Die Emissionspraxis – besonders bei Emissionsprogrammen – wird sich mit einem höheren Regulierungsgrad und Dokumentationsaufwand auseinandersetzen zu haben.

Dr. Claus Schneider
www.wolftheiss.com

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