Zwangspensionierung als Geschlechterdiskriminierung

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2008 wurde  eine angestellte Ärztin in Innsbruck in den Ruhestand versetzt, da sie das Regelpensionsalter von 60 Jahren für Frauen erreicht hatte. Der Oberste Gerichtshof legte die Rechtssache mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor.

Der EuGH stellte fest, dass es sich um eine verbotene „unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts“ handelt. Unmittelbar diskriminiert ist eine Person, wenn sie aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

Frauen dürfen mit 60, Männer hingegen erst mit 65 Jahren in Pension gehen, daher ist eine frühere Zwangspensionierung nur bei Ärztinnen möglich. Im Ergebnis dürfte man die Innsbrucker Ärztin zwangspensionieren, aber nur im selben Alter, in dem auch Männer in Zwangspension geschickt werden können. Dieses Urteil hat  auch Auswirkungen auf die unzulässige diskriminierende Kündigungspraxis von älteren Arbeitnehmern, da der EuGH auch feststellte, dass das Ziel die Beschäftigung jüngerer Menschen zu fördern, eine solche Praxis nicht rechtfertigen kann.

Das unterschiedliche Pensionsantrittsalter von Männern und Frauen ist in Österreich sogar durch Bundesverfassungsrecht abgesichert. Das BVG über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten sieht eine schrittweise Angleichung des Pensionsantrittsalters bis 2033 vor. Das unterschiedliche Pensionsantrittsalter ist klar gleichheitswidrig, hier geht es nicht um Schutz und Ausgleich für Frauen im Zusammenhang mit der Doppelbelastung durch Beruf und Familie, sondern um eine Diskriminierung der Männer.

Das primäre und sekundäre Gemeinschaftsrecht hat grundsätzlich Vorrang vor dem gesamten nationalen Recht, einschließlich des nationalen Verfassungsrechts (Anwendungsvorrang). Es ist abzusehen, dass auch das BVG über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten mit den langen Übergangsregelungen in dieser Form bis 2033 nicht bestehen bleiben kann.

Rechtsanwalt Mag. Hermann Hansmann

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