Dr. Christian Nordberg, Partner und Rechtsanwalt bei Hule I Bachmayr-Heyda I Nordberg Rechtsanwälte, bespricht die aktuelle Entscheidungen des OGH zur Haftung der Banken für Aussagen in Werbebroschüren. Anlageprodukte werden nicht nur in meist unübersichtlichen Kapitalmarktprospekten beschrieben, sondern auch in leichter verständlichen Werbebroschüren beworben. Für die darin getätigten Aussagen muss die Bank in der Regel haften, falls sich herausstellen sollte, dass sie nicht zutreffen. Im konkreten Fall bewarb die Bank Meinl European Land-Zertifikate als sichere Anlage. Ein Anleger, dessen MEL-Zertifikate an Wert verloren, begehrte im Wege der Irrtumsanfechtung die Rückabwicklung des Kaufs und stützte sich dabei auf die Werbebroschüre. Er, so seine Argumentation, habe sich auf die darin getätigten Aussagen verlassen.
Der OGH gab dem Anleger Recht. Zur Anfechtung eines Kaufvertrags berechtigt nur ein Geschäftsirrtum (§ 871 ABGB). Der Geschäftsirrtum betrifft den Inhalt (Gegenstand) des Geschäftes oder eine für das Geschäft bedeutsame Eigenschaft. Demgegenüber stellt das Motiv des Anlegers keinen Grund zur Anfechtung dar (§ 901 ABGB). Ein Mangel ist die Abweichung des Geleisteten vom vertraglich Geschuldeten. Was geschuldet wird, bestimmt sich gemäß § 922 ABGB (auch) nach den „öffentlichen Äußerungen des Verkäufers“, sodass im Rahmen der Irrtumsanfechtung auf Aussagen zurückgegriffen werden kann, die eine Bank in Verkaufsprospekten tätigt. Ein Irrtum über die zukünftige Kursentwicklung eines Wertpapiers kann nach der Auffassung des OGH nicht als Anfechtungsrund herangezogen werden, solange die Bank eine solche nicht zusagt. Sehr wohl erachtet der OGH die Risikogeneigtheit einer Anlageform als wesentliche Produkteigenschaft an.
Die Werbebroschüre stellte die MEL-Zertifikate als sichere, wertstabile und keinen Kursschwankungen unterliegende Anlage dar; sie weckte die Vorstellung, dass die als Aktien beworbenen MEL-Zertifikate anders als andere Aktien ein grundlegend geringeres Kursverlustrisiko hätten, weil in Gewerbeimmobilien mit langfristiger Vermietung an gute Kunden investiert würde und somit bei MEL-Zertifikaten im Gegensatz zu den sonstigen Gefahren des Aktienmarkts bei die Sicherheit eines Immobilieninvestments gegeben wäre. Dies war bei den MEL-Zertifikaten aber gerade nicht der Fall. Ruft die Bank durch die Gestaltung der Werbebroschüre bei objektiver Betrachtung falsche Vorstellungen beim Anleger hervor, kann dieser den Kauf des Wertpapiers im Wege der Irrtumsanfechtung rückabwickeln. Ob dem Anleger der durch die Werbebroschüre hervorgerufene Irrtum selbst hätte auffallen müssen, ist für die Irrtumsanfechtung (grundsätzlich) belanglos. (OGH 31.8.2010, 4 Ob 65/10b, JusGuide 2010/42/8021 (OGH)
Dr. Christian Nordberg
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Foto: Walter J. Sieberer
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