Kein "legal professional privilege" für Syndikusanwalt

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Der EuGH verneint in seiner aktuellen „Akzo Nobel Entscheidung“ erneut einen Vertraulichkeitsschutz unternehmensinterner Kommunikation mit einem Syndikusanwalt. Unternehmen sind daher weiterhin gefordert, ihre interne Kommunikation zu kartellrechtlich relevanten Sachverhalten entsprechend zu limitieren und durch das Einschalten externer Rechtsanwälte möglichst zu privilegieren.

EUGH.
Das aktuelle Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der Sache Akzo Nobel Chemicals Ldt / Kommission (Urteil vom 14.9.2010; C-550/07 P) wurde mit Spannung erwartet. Der EuGH hatte die Frage zu entscheiden, ob im Rahmen kartellrechtlicher Hausdurchsuchungen der Europäischen Kommission der unternehmensinterne Schriftwechsel mit einem Syndikusanwalt durch den anerkannten Vertraulichkeitsschutz zwischen Mandant und externem Rechtsanwalt (Legal Professional Privilege, LPP) geschützt ist. Im Anlassfall hatten die Kommissionsbeamten bei einer Hausdurchsuchung der britischen Akzo Nobel Tochtergesellschaft Kopien zweier E-mails zwischen der Geschäftsführung und einem Syndikusanwalt der Rechtsabteilung von Akzo (einem gleichzeitig in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwalt) beschlagnahmt. Akzo vertrat die Ansicht, dass diese Kommunikation mit jener zwischen Akzo und externen Rechtsanwälten gleichzusetzen sei und daher von den Kommissionsbeamten weder eingesehen noch beschlagnahmt hätte werden dürfen. Nachdem Akzo in diesem Punkt vor dem Gericht erster Instanz unterlegen war, sah nun auch der EuGH keinen Anlass, von den seit 1982 (Urteil AM&S / Kommission) in der  Rechtsprechung ausgebildeten Grundsätzen abzugehen.

PRIVILEG.
Diese verlangen für die Anwendbarkeit des LPP das Vorliegen zweier Voraussetzungen: Zum einen muss der Schriftwechsel mit der Ausübung des „Rechts des Mandanten auf Verteidigung“ in Zusammenhang stehen und zum anderen muss es sich um einen Schriftwechsel handeln, der von in einem EU/EWR Mitgliedstaat zugelassenen „unabhängigen Rechtsanwälten“ ausgeht, d.h. von „Anwälten …, die nicht durch einen Dienstvertrag an den Mandanten gebunden sind“. Das Erfordernis der Unabhängigkeit sei, so der EuGH, im Fall eines Syndikusanwalts nicht erfüllt. Auch das in den letzten zwei Jahrzehnten geänderte Berufsbild von Unternehmensjuristen – etwa im Zusammenhang mit kartellrechtlicher Compliance – stelle laut EuGH keinen Grund dar, die Rechtsprechung zu ändern. Der EuGH verwies dabei auch darauf, dass in Bezug auf die nationalen Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten keine überwiegende Tendenz zugunsten des Schutzes der Vertraulichkeit der Unternehmenskommunikation mit dem Syndikusanwalt festzustellen sei. Eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung sei daher nicht angebracht.

Unternehmen sind daher weiterhin gefordert, ihre interne Kommunikation zu möglicherweise kartellrechtlich relevanten Sachverhalten – auch im Fall der Involvierung eines Syndikusanwalts – sensibel zu gestalten und die juristische Prüfung und Aufarbeitung derartiger Sachverhalte im Zweifel durch externe Rechtsanwälte durchführen zu lassen, um die Anwendbarkeit des Schutzes des LPP so weit als möglich sicherzustellen. Das aktuelle Urteil des EuGH hat im Übrigen keine Auswirkungen auf ein allenfalls nach nationalem Recht anwendbares LPP im Fall selbständiger Hausdurchsuchungen nationaler Wettbewerbsbehörden (verschiedenartig ausgeprägte LPP für Kommunikation mit dem Syndikusanwalt bestehen etwa in England, Deutschland oder Rumänien).

AKTUELL. Nach derzeitiger Rechtslage besteht in Österreich diesbezüglich jedoch kein erhöhter Schutzbereich. Ganz im Gegenteil: Zum Einen besteht das Modell des Syndikusanwalts in Österreich nicht. Zum Anderen ist sogar das Bestehen der Vertraulichkeit von Kommunikation zwischen Unternehmen und ihren externen Anwälten umstritten bzw wurde von Vertretern der Bundeswettbewerbsbehörde öffentlich verneint. Vor diesem Hintergrund ist das aktuelle Urteil des EuGH ein erneuter Anlass, zumindest die gesetzliche Verankerung eines eindeutigen Schutzes der Kommunikation mit externen Rechtsanwälten in Österreich zu fordern.

Dr. Bernhard Kofler-Senoner
www.chsh.com

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