Im Insolvenzfall ist alles anders..

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Was passiert bei Verfahrenseröffnung? Welche Rechte habe ich als in Konkurs befindlicher Unternehmer? Kann das Unternehmen fortgeführt werden? Diese und andere Fragen beantwortet Fr. Dr. Susanne Fruhstorfer.

Insolvenzrecht ist Problembeseitigungsrecht, d.h. es soll eine Insolvenz bereinigen (so Prof. Buchegger in der Einleitung des von ihm herausgegebenen Österreichischen  Insolvenzrechts). Was bedeutet nun Bereinigung? Ursprünglich war das Konkursverfahren eine Art Gesamtvollstreckungsverfahren, d.h. ein  Zusammenlauf aller Gläubiger und deren Befriedigung nach Verwertung des gesamten Vermögens durch den Masseverwalter.
Die Novelle 1982 brachte erstmals den Gedanken der Insolvenzprophylaxe, die Novelle 1997 wollte die Fortführung von Unternehmen im Konkurs erleichtern und Anreize für eine rechtzeitige Konkurs- und Ausgleichsbeantragung schaffen. Das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010, das  voraussichtlich (endlich) am 1. Juli 2010 in Kraft treten wird, schafft nun die Doppelseitigkeit von Konkurs und Ausgleich ab. Es gibt keine Konkurs- und Ausgleichsordnung mehr, sondern nur noch die einheitliche Insolvenzordnung (abgekürzt IO). Dennoch gibt es noch Unterschiede. Liegt bei Verfahrenseröffnung ein tauglicher Sanierungsplan mit einer Quote von mindestens 30% vor, behält der Unternehmer die Eigenverwaltung unter Überwachung eines sogenannten Sanierungsverwalters. Die Funktion des Sanierungsverwalters ist ähnlich derjenigen des derzeitigen Ausgleichsverwalters. Mangelt es bei Verfahrenseröffnung an einem qualifizierten Sanierungsplan, wird ein normales Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt, dessen Befugnisse jenen eines Masseverwalters entsprechen. Im Laufe des Verfahrens kann der Unternehmer noch immer einen Sanierungsplan (den altbekannten und bewährten  Zwangsausgleich mit mindestens 20% Quote) beantragen. Ansonsten kommt es zur Verwertung des Vermögens durch den Insolvenz-verwalter mit anschließender Ausschüttung der Konkursquote an die Gläubiger.

Nach der  Konkursordnung – in Zukunft Insolvenzordnung – ist ein Unternehmer verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, jedenfalls binnen 60 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung (im Falle von Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften ohne persönlich haftende Gesellschafter) die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen.

Die 60-Tages Frist steht für den Versuch einer außergerichtlichen Sanierung zur Verfügung, sofern eine solche überhaupt (noch) möglich ist. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur rechtzeitigen Konkursbeantragung kann zu persönlichen Haftungen der Organe und zu strafrechtlichen Folgen führen.

Ein Großteil der Insolvenzverfahren wird leider erst lange nach dieser 60-Tages Frist angemeldet. In zu  vielen Fällen werden Konkurse infolge von Gläubigeranträgen eröffnet, da Unternehmer bis zuletzt die tatsächliche finanzielle  Situation nicht  wahrhaben wollen.  Die Insolvenzrechtsnovelle 2010 will Anreize für eine vorzeitige Verfahrensbeantragung schaffen, ein Sanierungsverfahren kann demnach bereits bei auch nur drohender Zahlungsunfähigkeit eröffnet werden (wie dies seit 1997 beim Ausgleich möglich ist). Ein Unternehmer, der das Sanierungsverfahren gründlich und rechtzeitig vorbereitet, wird mit der Eigenverwaltung belohnt. Voraussetzung ist, dass der qualifizierte Sanierungsplan bereits vor dem Eröffnungsantrag erstellt wird, da er dem Antrag beigelegt werden muss. Dieser Sanierungsplan hat eine aktuelle und vollständige Übersicht über den Vermögens- und Schuldenstand sowie eine Gegenüberstellung der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben der folgenden 90 Tage zu enthalten. Aus dieser Gegenüberstellung – dem Finanzplan – muss sich ergeben, wie die für die Fortführung des Unternehmens notwendigen Mittel aufgebracht und verwendet werden sollen. Der Preis für die Eigenverwaltung ist eine Befriedigungsquote von mindesten 30 %, ohne Eigenverwaltung bleibt es bei  mindestens 20 %.
Aber auch beim „normalen“ Insolvenzverfahren mit Bestellung eines Insolvenzverwalters (zurzeit noch Masseverwalter) schafft die Novelle  mehr Sicherheit für die Fortführung überlebensfähiger Unternehmen. So wird in Hinkunft die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts für Vertragspartner des insolventen Unternehmers  für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unzulässig sein. Durch diese Auflösungssperre entfällt die Unsicherheit über den Fortbestand wichtiger Verträge nach Insolvenzeröffnung. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass die erforderlichen Mittel zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen vorhanden sind. Die diesbezügliche Überwachungspflicht trifft den Insolvenzverwalter. Unvorteilhafte Verträge können allerdings vom Insolvenzverwalter aufgelöst, unrentable Unternehmensbereiche geschlossen werden.
Nach vollständiger Erfüllung eines Sanierungsplanes (auch im Rahmen eines normalen Insolvenzverfahrens ohne Eigenverwaltung) wird es dem Unternehmen ermöglicht werden, die Löschung des Verfahrens aus der Insolvenzdatei und im Firmenbuch zu erwirken. Dadurch wird das Stigma eines früheren Insolvenzverfahrens beseitigt.

Die Insolvenzrechtsnovelle 2010 enthält aber auch diverse Druckmittel zur  Vermeidung  von Insolvenzverschleppungen. So wird das Insolvenzeröffnungsverfahren gestrafft, eine Vertagung der Konkurseröffnungstagsatzung zum Zwecke des Abschlusses einer Ratenvereinbarung soll nicht mehr zulässig sein. Dies bedeutet, dass ein Unternehmer, der so lange zugewartet hat, bis ein Gläubiger einen Konkursantrag eingebracht hat, bereits in der ersten (und zugleich auch letzten!) Gerichtsverhandlung überzeugend  darlegen muss, dass keine Insolvenz vorliegt. Kann er nicht beweisen, dass er eine Einigung mit all seinen Gläubigern getroffen hat, wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Spätestens, sobald man einen Antrag eines Gläubigers auf Konkurseröffnung samt Ladung vom Gericht erhalten hat, besteht dringender Handlungsbedarf! Dies gilt bereits nach geltender Rechtslage, da die Konkursrichter im Interesse der Gläubiger bestrebt sind, Verfahren ehestmöglich zu eröffnen.

Dr. Susanne Fruhstorfer
e|n|w|c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte
s.fruhstorfer@enwc.com

Foto: Walter J. Sieberer

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