Rechtsanwalt Dr. Christian Nordberg, LL.M über diese aktuelle Entscheidung des obersten Gerichtshofes:
Privatstiftungen verfügen über keinen Eigentümer, der den Vorstand überwacht und diesen im Falle des Falles auch wieder abberuft. Auf Lebzeiten kann sich zwar der Stifter dieses Recht vorbehalten. Nach dessen Ableben agiert der Vorstand aber sehr frei, sofern die Stiftung über keinen Aufsichtsrat oder Beirat verfügt. Zum Ausgleich dieses Kontrolldefizits kann der Vorstand einer Privatstiftung bei groben Pflichtverletzungen gerichtlich abberufen werden (§ 27 PSG); den Begünstigten steht das Recht zu, einen entsprechenden Antrag bei Gericht einzubringen. Das Verfahren über die Abberufung eines Stiftungsvorstandes kann sich mitunter in die Länge ziehen, vor allem, wenn das Verfahren alle Instanzen durchläuft. Dabei stellt sich die Frage, wann die Abberufung wirksam wird – bereits mit der Zustellung des erstinstanzlichen Abberufungsbeschlusses oder erst mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens? Diese Unterscheidung hat massive praktische Konsequenzen: träfe letzteres zu, könnte ein an sich wegen grober Pflichtverletzung in 1. Instanz abberufener Stiftungsvorstand die Stiftung noch während der gesamten Dauer des Verfahren weiter vertreten, d.h. über das Vermögen verfügen, Verträge abschließen usw.
Der OGH hat nun entschieden, dass die Abberufung des Stiftungsvorstandes sofort, d.h. mit der erstinstanzlichen Entscheidung, wirksam ist. Dies, so der OGH, folgt aus der Funktion der Abberufung aus wichtigem Grund als amtswegige Eil- und Notmaßnahme, die keinen Aufschub duldet. Das materielle Schutzanliegen des § 27 PSG erfordert, dass die gerichtliche Abberufung sofort wirksam ist. Bei anderer Auslegung wäre der vom Gesetzgeber intendierte Gleichlauf zwischen Privatstiftungs- und Aktienrecht nicht gewährleistet. Daraus folgt, dass gerichtlich abberufene Vorstandsmitglieder bereits mit Zustellung des Abberufungsbeschlusses ihrer Funktion verlustig gehen und ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Setzung weiterer Organhandlungen berechtigt sind.
OGH vom 12.01.2012, 6 Ob 244/11t
Foto: Walter J. Sieberer
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