Maßgeblich bei Unternehmensfusionen ist insbesondere die Frage nach den wirtschaftlichen Auswirkungen nach der Durchführung des Zusammenschlusses, also eine Prognose, ob eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder eine allenfalls bereits bestehende verstärkt wird.
Aber auch bei Kartellen sowie der Missbrauchsaufsicht spielen (wirtschaftliche) Prognosen eine wesentliche Rolle. Ökonomische Modelle können bei dieser Beurteilung helfen.
Die Europäische Kommission verfolgt bei der Formulierung ihrer Wettbewerbspolitik und der Durchsetzung des Kartellrechts in der Europäischen Union einen „more economic approach“. Darunter wird die Berücksichtigung von ökonomischen Modellen oder generell von ökonomischen Grundlagen im Kartellrecht verstanden. Dieser Ansatz lässt sich nicht nur auf europäischer Ebene beobachten, sondern setzt sich auch auf nationaler Ebene fort, ist doch das europäische Kartellrecht auch von nationalen Behörden und Gerichten anzuwenden.
Ausgehend von einem Weißbuch der Europäischen Kommission (Vorschläge für Maßnahmen der EU in bestimmten Bereichen) über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Artikel 85 und 86 des EG-Vertrages (Regelung des Kartellverbots sowie des Missbrauchsverbots von marktbeherrschenden Unternehmen) führte der „more economic approach“ zu einer Weiterentwicklung der europarechtlichen Wettbewerbsregeln. Weg von der abstrakten Beurteilung von Wettbewerbsauswirkungen von unternehmerischem Handeln sollen diese nunmehr einer konkreten wirtschaftlichen Betrachtungsweise unterzogen werden.
Effizienzsteigerungen berücksichtigt. Im Bereich der Fusionskontrolle seitens der Europäischen Kommission führte diese Entwicklung zu einer Neuformulierung jenes Kriteriums, das Zusammenschlüsse verbietet. Seit der Neufassung der Fusionskontroll¬verordnung wird bei der Prüfung von Zusammenschlüssen vor allem eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs kontrolliert. Als Folge der stärkeren Miteinbindung ökonomischer Auswirkungen wurde nun aber die Berücksichtigung von Effizienzsteigerungen im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle eingeführt. Auch im Bereich der Missbrauchsaufsicht wurde im Zuge eines Diskussionspapiers der Europäischen Kommission der Effizienzeinwand anerkannt. Demnach ist ein Verhalten dann nicht als missbräuchlich zu werten, wenn das eigentlich missbräuchliche Verhalten insgesamt Effizienzsteigerungen mit sich bringt.
Support auch bei Aufdeckung von Kartellen. Der „more economic approach“ findet in letzter Zeit auch verstärkt bei der kartellrechtlichen Beurteilung im Einzelfall Anwendung. Hierbei wird von den Wettbewerbsbehörden auf ökonomische Modelle zurückgegriffen, etwa für die Marktabgrenzung, die Marktkonzentration oder aber bei Prognosemodellen zur Evaluierung von Zusammenschlüssen.Erst kürzlich wurde von der Bundeswettbewerbsbehörde ein neues statistisches Analyseverfahren („variance screen“) vorgestellt, das Auffälligkeiten von Preisen und Marktanteilen mittels der Analyse von statistischen Daten aufzeigen kann. Ökonomische Modelle sollen also auch bei der Aufdeckung von Kartellen und insbesondere Preisabsprachen helfen.
Definition erforderlich. Durch das Heranziehen ökonomischer Modelle sollen Prognosen über die Marktauswirkungen von unternehmerischem Handeln vorhersehbarer werden. Welcher konkreten Modelle sich die Behörden bei der Überprüfung von Fusionen bedienen, sollte jedenfalls klar definiert werden. Schließlich sollte deren Anwendung auch zum Ziel haben, die Ergebnisse der Fusionskontrolle besser einschätzen zu können sowie zu mehr Rechtssicherheit beizutragen.
Mag. Martin Eckel, LL.M.
m.eckel@enwc.com
Foto. Walter J. Sieberer
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